Auch ein Klingeln rettet Zschäpe nicht; Brandenburg will Vernehmung des V-Manns „Piatto“ in München verhindern

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle

vom 23. Oktober 2014

 

Auch ein Klingeln rettet Zschäpe nicht

Brandenburg will Vernehmung des V-Manns „Piatto“ in München verhindern

 

Nach mehreren prozessualen Fragen zur Verlesung von Zeugenaussagen aus der Schweiz wurde heute der ehemalige Anwalt von Zschäpe aus Zwickau vernommen. Zschäpe hatte ihn sehr begrenzt von der Schweigepflicht entbunden, nämlich nur soweit, wie er eine bestimmte Aussage in ihrem vermeintlichen Sinne machen sollte. Der Anwalt erklärte, dass Zschäpe, bevor Sie das Haus endgültig verlassen habe bei der betagten Nachbarin geklingelt habe. In einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Brandgeschehen könne er dies nicht stellen. Es sei „sicherlich“ so gewesen, dass Zschäpe schauen wollte, ob die Nachbarin da ist, um sie ggf. vor dem Brandt zu warnen. Das sei aber ein Rückschluss von ihm. Mehr dürfe er wegen der fehlenden darüber hinaus gehenden Schweigepflichtsentbindung nicht sagen.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

„Die Aussage des ehemaligen Anwalts bringt Zschäpe nicht vom Vorwurf des Mordversuchs weg. Die Verteidigung wollte offensichtlich nur einen Satz des Anwalts bestätigt haben. Von mehr wollte sie ihn nicht im Rahmen seiner Schweigepflicht entbinden. Insoweit ist es unmöglich aufzuklären, in welchem Zusammenhang diese Aussage von Zschäpe erfolgte und wie die äußeren Umstände dieser Erklärung waren. Selbst wenn man bei einer fast 90jährigen schwer gehbinderten Nachbarin klingelt, heißt das nicht, dass sie vor den Auswirkungen einer Explosion und des Brandes in Sicherheit wäre. Dies gilt umso mehr, als dass der ehemalige Anwalt Zschäpes nichts dazu sagen konnte, wann genau dieses angebliche Klingeln eingeordnet werden kann.“

 

Im Anschluss wurde von uns thematisiert, dass es für den Zeugen Carsten Sz., der am 4.11.2014 vernommen werden soll, erstmals eine sogenannte Sperrerklärung gibt. Der Brandenburger Verfassungsschutz möchte, dass ihr ehemaliger V-Mann „Piatto“ nicht in München aussagt. Allenfalls sei eine Videovernehmung mit einem unkenntlich gemachten Zeugen in Begleitung eines Rechtsbeistandes möglich. Dieser Rechtsbeistand, von dem unklar ist, wessen Interessen er eigentlich vertreten soll und wer ihn dafür bezahlt, soll darauf achten, dass keine Fragen über die Aussagegenehmigung hinaus beantwortet werden. Die Öffentlichkeit soll zusätzlich noch aus der Verhandlung ausgeschlossen werden. Carsten Sz. sei im Zeugenschutzprogramm. Zu groß sei angeblich die Gefahr, dass von rechtsextremistischen oder vermeintlichen linksextremistischen Kreisen Gewalt gegenüber dem Zeugen ausgeübt werden könnte.

 

Wir haben insoweit den Senat darum gebeten, dem Verfassungsschutz Brandenburg noch einmal die realen Bedingungen in München mitzuteilen. Der Angeklagte Carsten S. sitzt seit über 150 Verhandlungstagen im Saal. Gefahren für Gewalttätigkeiten sind insoweit nicht ersichtlich. Fotos von ihm kursieren in der Presse nicht. Er hat separaten Zugang und wird von Beamten des Zeugenschutzes abgeschirmt. Tino Brandt, ebenfalls ehemaliger V-Mann, hat umfangreich und ohne Zeugenschutzmaßnahmen ausgesagt. Gefahren für ihn sind nicht ebenfalls ersichtlich, obwohl sein aktueller Aufenthaltsort bekannt ist. Das Thüringer Landesamt für Verfassungschutz hat für keinen V-Mann bislang eine Sperrerklärung abgegeben. Der Angeklagte Holger G. war ursprünglich auch im Zeugenschutzprogramm. Inzwischen läuft er ohne Beschränkungen und Bewachung im und vor dem Gericht herum. Gefahren für ihn sind nicht ersichtlich, obwohl er jedenfalls in seinen BKA-Vernehmungen belastende Angaben gemacht hat.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

„Der Brandenburger Verfassungsschutz will die Vernehmung ihres ehemaligen V-Manns zumindest stark erschweren, wenn nicht sogar verhindern. Er sabotiert damit die notwendige Aufklärung des Strafverfahrens und vergrößert damit Chancen für mögliche Rechtsmittel der Angeklagten. Die Gründe dafür erscheinen vorgeschoben. Der Verantwortliche SPD-Innenminister Holzschuher aus Brandenburg sollte diese Entscheidung dringend überdenken.“

 

 

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