Beate Zschäpe: "Ich war weder an den Vorbereitungshandlungen noch an der Ausführung beteiligt." Gamze Kubasik: Die angebliche "Entschuldigung" ist eine Frechheit

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Sebastian Scharmer und Rechtsanwalt Dr. Stolle vom 09.12.2015

Beate Zschäpe: "Ich war weder an den Vorbereitungshandlungen noch an der Ausführung beteiligt."

Gamze Kubasik: Die angebliche "Entschuldigung" ist eine Frechheit

Die neuen Verteidiger von Zschäpe, Grasel und Borchert, hatten in den vergangenen Wochen versucht, mit scheibchenweisen Vorabinformationen die Spannung besonders hoch zu treiben. Erstmals nach 249 Hauptverhandlungstagen verlas nun Grasel heute circa 90 Minuten lang eine vorbereitete schriftliche Erklärung zur Person und zu den Anklagevorwürfen. Fragen will Zschäpe selbst nicht beantworten. Das Gericht könne, so die beiden Verteidiger, einen schriftlichen Katalog einreichen, der dann wieder schriftlich vorbereitet durch eine Verlesung in der Hauptverhandlung vom Verteidiger beantwortet werden soll. Fragen anderer Verfahrensbeteiligter sollen kategorisch nicht beantwortet werden.

Eine umfassend geständige Einlassung, die strafmildernd wirken kann, erwartete bei diesen Ankündigen nahezu keiner der Prozessbeteiligten. Auch der Ablauf der Planung, wann die Einlassung abgegeben werden sollte, sprach nicht dafür, dass überhaupt bedacht war, die immer noch brennenden Fragen der Hinterbliebenen der Getöteten und der Verletzten zu beantworten. Denn es war zunächst nur sehr kurzfristig mitgeteilt worden, dass eine Einlassung erfolgen soll. Fast keiner der Nebenklägerinnen und Nebenkläger hätte so organisieren können, nach München zu kommen. Nun kam ein neues Befangenheitsgesuch und ein Entpflichtungsantrag ihrer "Altverteidiger" dazwischen.

Gamze Kubasik ist bei diesen Vorzeichen heute ohne große Hoffnungen nach München gekommen, um sich anzuhören, was Zschäpe erklären will. Und dann kam es, wie es kommen musste: Die verlesene Einlassung von Zschäpe dürfte nicht nur für diese ein prozessuales Fiasko für diese selbst bedeuten, sonderen hat die ohnehin schon geringen Erwartungen von Gamze Kubasik noch bedeutend untertroffen.

Zunächst gab es eine umfassende Erklärunng zu den persönlichen Verhältnissen. Von der Geburt, dem Kindergarten, der Heirat ihrer Mutter und ihrer Grundschulbildung. Sie benannte die Alkoholprobleme ihrer Mutter und dass sie den "Haushalt schleifen ließ". Den Respekt vor der Mutter habe sie in dieser Zeit verloren und begonnen, "kleinere Diebstähle" zu begehen. Sie erzählte, wie sie Uwe Mundlos "aus gutem Haus" kennenlernte und begann in der rechten Clique Lieder mit "nationalistischem Inhalt" zu grölen. Erst sei sie mit Uwe Mundlos, dann mit Böhnhardt zusammen gewesen. Böhnhardt sei ein Waffennarr gewesen und er habe auch die Waffen an der Wand ihrer Wohnung aufgehangen. Mit Böhnhardt radikalisierte sie sich mehr. In der "Clique", der Kameradschaft Jena, seien 4-5 Leute gewesen, die an verschiedensten rechten Veranstaltungen teilnahmen.

Erst mit der Agitation von Tino Brandt sei sie Teil der Kameradschaft Jena geworden. Er habe die Initiative ergriffen, Geld und Ideen zur Verfüügung gestellt. "Ohne Tino Brandt wären diese ganzen Unternehmungen nicht möglich gewesen". Durch die negativen "Erfahrungen mit der örtlichen Polizei" hätten sie sich stärker "nationalistisch" organisiert. Sie seien kontrolliert worden, Böhnhardt sei von der Polizei verprügelt worden. In den Medien sei alles falsch dargestellt worden. Nach mehreren Hausdurchdurchsuchungen sei es eine "ernste Angelegenheit" geworden. Mit Bombenattrappen sollte auf die rechte Szene aufmerksam gemacht werden, "ohne Leib und Leben" von anderen zu gefährden. Dies sei auch der Hintergrund für die Bombenatrappe mit dem Puppentorso gewesen. Sie fand es später unsinnig, weil sie nicht bekannt gemacht hatten, wer hinter der Aktion steht. Danach trennte sich zunächst Böhnhradt von ihr und sie war von der Clique getrennt. Sie mietete darauf eine abgelegene Garage, wo Propagandamaterial und "andere Gegenstände" untergestellt werden konnten. Auch Schwarzpulver sei dabei gewesen. Von TNT habe sie erst später erfahren. Auch sie selbst habe Bombenattrappen als Briefe an Behörden geschickt. Die Aktion mit dem Koffer mit der Bombenatrappe auf dem Theaterplatz hätten Böhnhardt und Mundlos selbstständig organisiert.

Als am Tag des Untertauchens Böhnhardt wärend seiner Wohnungsdurchsuchung bei ihr anrief, sagte er zu ihr, sie solle diese "abfackeln". Weil sie von dem Schwarzpulver in der Garage wusste, setzte sie diese nicht in Brand. Sie beriet sich mit Mundlos und ihr war klar, dass sie als Mieterin der Garage für den Inhalt und die vorangegangenen Aktionen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden würde. Deshalb tauchten sie ab. Solange, wie es dann dauerte, sei es ursprünglich nicht geplant gewesen. Sie sind dann zunächst nach Chemnitz und dann nach Zwickau umgezogen.

Sie hätten in der Angst gelebt, entdeckt zu werden. Deswegen planten sie Anfang 1998 zusammen einen Raubüberfall, an dem sie selbst nicht beteiligt gewesen sei, jedoch von dem erbeuteten Geld gelebt habe. Von einer scharfen Pistole habe sie nichts gewusst, sondern sei von einer Schreckschusspistole ausgegangen. Sie sei eher eine Belastung für die beiden anderen gewesen, wie sie ihr später angeblich geschildert hätten. Es sei auch nur ein "Warnschuss" abgefeuert worden. Woher die scharfe Waffe kam, habe sie nicht gewusst. Sie habe sich danach stellen wollen. Böhnhardt und Mundlos hätten das jedoch abgelehnt und ihr "bürgerliches Leben" aufgegeben. Sie wandte sich jedoch an den Szeneanwalt Eisenecker, um die Möglichkeiten der Rückkehr in die Legalität zu checken. Ihr sei gesagt worden, dass sie mit 7 bis 8 Jahren Freiheitsstrafe rechnen müsse, worauf sie das Vorhaben der Rückkehr aus dem Untergrund aufgab. Die anderen beiden wollten nach Südafrika ausreisen, sie wollte unbedingt in Deutschland bleiben.

Es folgten drei weitere Raubüberfälle, von denen sie zwar wußte, aber angeblich Einzelheiten nicht kannte. Vor dem 9.9.2000 habe sie angeblich nicht gewusst, was die beiden geplant hatten. Sie habe nicht mitbekommen, dass die beiden eine Waffe Ceska und eine Waffe Bruni mitgenommen haben. Erst später habe sie von dem Mord an Enver Simsek kurz vor Weihnachten erfahren. Sie habe wütend reagiert, wie man eine solche "unfassbare Tat" begehen habe können. Böhnhardt und Mundlos hätten erklärt, dass sie frustriert und perspektivlos gewesen wären. Ein politisches Motiv hätten die beiden nicht angegeben. Sie wisse bis heute nicht, warum das geschehen sei. Sie habe angeblich damit gedroht, zur Polizei zu gehen. Für diesen Fall drohten ihr Böhnhardt und Mundlos Suizid an. Zschäpe habe vor einem "unlösbaren Problem" gestanden, weil sie die beiden nicht verlieren habe wollen. Für ein Aussteigen sah sie nun keine Chance mehr.

Erst nach Berichten in der Presse habe sie von dem Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse erfahren. Uwe Böhnhardt habe den Korb mit der Bombe deponiert. Die beiden hätten die Bombe vor ihr verborgen gebaut, als sie joggen gewesen sei.

Danach hätte sie eine Wohnung mit mehreren Zimmern bezogen und sich nur zum Essen getroffen. Von den weiteren Morden in Nürnberg und Hamburg wäre sie ebenfalls erst im Nachhinein informiert worden. Sie sei sprach- und fassungslos gewesen. Sie habe resigniert. Den beiden Männern sei ein Menschenleben egal gewesen. Nun sei erstmals auch der Hass auf Ausländer als Motiv geäußert worden. Sie habe aber nicht für möglich gehalten, dass die beiden diese Ideologie auch in die Tat umsetzten. Die Mordtaten lehnte sie zwar ab, fand sich jedoch mit diesem "emotionalen Dilemma" ab. An dem Mord an Habil Kilic sei sie ebenfalls nicht beteiligt gewesen und habe davon angeblich nichts gewusst. Böhnhardt und Mundlos hätten sich vor ihr mit dem Mord an Habil Kilic gebrüstet und ihr einen Zeitungsartikel gezeigt.

Mit dem Mord an Yunus Turgut habe sie nichts zu tun gehabt. Sie habe auch nicht gewusst, dass die beiden sich einen Schalldämpfer besorgt hätten. Mundlos habe nur lapidar geäußert, dass sie in Rostock einen Türken erschossen hätten. Sie habe angeblich eindringlich apelliert, dass sie damit aufhören sollen, was ihr "gebetsmühlenartig" zugesichert wurde.

Von dem Bombenanschlag in der Keupstraße sei ihr ebenfalls erst im Nachhinein berichtet worden. Sie hätten die türkische Bevölkerung in Köln in Angst versetzen wollen. Sie habe die Berichterstattung verfolgt und die drei fürchteten ihre Entdeckung. Sie habe den beiden Männern nun "nicht mehr getraut", wäre aber auch nicht in der Lage gewesen, Konsequenzen zu ziehen.

Wie bei jeder Tat, zu der sich Zschäpe nun äußerte, kam gebetsmühlenartig der Satz: "Ich war weder an den Vorbereitungshandlungen noch an der Ausführung beteilgt."

Erst im Okptober 2006 hätten Mundlos und Böhnhardt von den weiteren Morden berichtet. Sie brüsteten sich damit, dass sie weitere "4 Türken" ermordet hatten, so auch Mehmet Kubsik in Dortmund. Von den Einzelheiten der Morde und den Namen der Opfer habe sie erst später erfahren.

Im Jahr 2007 hätten Böhnhardt und Mundlos in Heilbronn Frau Kiesewetter ermordet und ihren Kollegen angeschossen. Es sei ihnen nur um die Pistolen der beiden Polizisten gegangen, weil ihre Waffen Ladehemmungen gehabt hätten. Böhnhardt und Mundlos seien zwar immer mit einer scharfen Waffe aus dem Haus gegangen, sie habe aber angeblich nie gedacht, dass sie Menschen umbringen würden.

Für den Fall, dass Böhnhardt und Mundlos sich umbringen würden, habe sie wiederholt versprechen müssen, die von Mundlos erstellten DVD's zu versenden und den gemeinsamen Unterschlupf in Brand zu setzten, um Beweise zu vernichten. Es sollte am Ende nur die DVD bleiben.

Am 4.11.2011 seien die beiden nicht von einer "Geldbesorgung" zurück gekommen. Über das Radio habe sie von einem brennenden Wohnmobil mit zwei Leichen in Eisenach erfahren. Nun habe sie ihr "Versprechen" erfüllt. Sie habe dann aus dem Abstellraum der Wohnung einen Kanister mit Benzin geholt. Sie habe sich zur Nachbarin begeben und wollte diese dazu bewegen, sich zu entfernen. Sie habe geklingelt und niemand antwortete. Sie sei dann zur Wohnungstür von Frau E. gegangen, habe dort 1-2 Minuten geklopft, wobei niemand geantwortet habe. Sie habe auch bei den anderen Mietern geklingelt. Bei den Bauarbeitern ging sie davon aus, dass sie nicht mehr vor Ort waren. Sie habe in den Dachboden "Hallo" gerufen. Der Transporter sei weg gewesen.

Etwa die Hälfte der DVD's habe sie in den Brriefkasten vor dem Haus gesteckt und dann die Wohnung in Brand gesetzt. Vier Tage sei sie planlos mit dem Zug quer durch Deutschland gefahren, um sich dann selbst zu stellen. Der Begriff NSU sei von Mundlos im Jahr 2001 entwickelt worden. Man habe dem Nazifanzine "Der weiße Wolf" 1.000 Euro gespendet und "NSU" als Absender angegeben. Sie habe diesen Namen angeblich nicht für sich selbst angenommen. Der "NSU" hätte nur aus Böhnhardt und Mundlos bestehen können, wobei sich niemand untergeordnet hatte. Sie hätte das Logo erst später gesehen. Das NSU-Video habe sie angeblich zum ersten Mal in der Hauptverhandlung gesehen. Vielleicht habe sie 1-2 mal den Zeichentrick "Paulchen Panter" auf dem Computermonitor von Mundlos gesehen, aber angeblich niemals etwas, was mit den Morden zu tun hatte. Die Wette zu den Videoschnitten habe sich angeblich auf harmlose TV-Serien bezogen. Dass sich der Wettschein auf "Killer, Cleaner und Liese" bezog, erklärte sie nicht.

Sie habe keine der Waffen besorgt, höchstens mal eine Waffe in den Schrank geräumt, wenn sie rumlag. Frau Zschäpe werde nur schriftlich auf Fragen des Senats antworten. Zu den Tatbeiträgen der anderen Mitangeklagten äußere sie sich nicht. Sie empfinde moralische Verantwortung und "entschuldige sich für die von Böhnhardt und Mundlos verübten Taten".

Gamze Kubasik erklärt dazu:

"Mit ihrer Erklärung versucht Frau Zschäpe sich aus der Verantwortung zu ziehen. Dieser Aussage glaube ich kein Wort. Meine von vornherein geringen Hoffnungen, dass mit dieser Erklärung endlich die genauen Umstände des Mordes an meinem Vater aufgeklärt werden, sind enttäuscht. Frau Zschäpe hätte vieles beantworten können. Sie hat jedoch nach einer sehr langen Verhandlung jetzt einfach versucht, ihre Rolle herunter zu spielen. Für mich ist das reine Taktik und wirkt total konstruiert. Die angebliche "Entschuldigung" für die Taten von Mundlos und Böhnhardt nehme ich nicht an: sie ist eine Frechheit, vor allem wenn sie dann noch verbunden wird mit der Ansage, keine unserer Fragen zu beantworten."

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Die Erklärung hält einer gründlichen Überprüfung nicht stand. Zschäpe als Ahnungslose, den beiden Mittätern unterlegene Frau, die von den Taten jeweils vorher nichts wusste - das glaubt ihr niemand, der die Verhandlung von Anfang an besucht hat. Die Aussage ist konstruiert, ohne Belege und insich widersprüchlich. Zschäpe wird sie nicht vor einer Verurteilung retten. Den Nebenklägern nützt sie nicht. “

Rechtsanwalt Dr. Stolle erklärt dazu:

"Diese Einlassung von Zschäpe ist tatsächlich ein Schuldeingeständnis. Dass was sie sagt, ist so konstruiert und lebensfremd, dass jedem klar geworden ist, dass sie die Unwahrheit sagt und was zu verschleiern hat."

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