Der Gang in den Untergrund war offensichtlich langfristig geplant und keine Spontanreaktion auf die Durchsuchung der als Bombenwerkstatt genutzten Garage

Der Gang in den Untergrund war offensichtlich langfristig geplant und keine Spontanreaktion auf die Durchsuchung der als Bombenwerkstatt genutzten Garage

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 15.04.2015

 

Der Gang in den Untergrund war offensichtlich langfristig geplant und keine Spontanreaktion auf die Durchsuchung der als Bombenwerkstatt genutzten Garage

 

Die Beweisaufnahme wurde heute zunächst mit einem Zeugen aus Stralsund fortgesetzt, der als Kunde in der Bank war, als der mutmaßlich von Mundlos und Böhnhardt begangene Überfall stattfand. Die Täter traten martialisch auf, schossen sofort in die Decke und gaben rabiate Kommandos. Der Zeuge war unter Schock und legte sich nicht auf Boden, wie von den Tätern verlangt. Stattdessen versuchte er stoisch seine Überweisung zu Ende zu führen. Erst als einer der Täter ihn direkt noch einmal bedrohte, nahm er die Hände hoch und kauerte sich hin. Die Täter sprachen mit sächsischem Dialekt, waren dunkel gekleidet und vermummt.

Zwei BKA-Beamten sagten dann noch über den modus operandi, die Identifizierung von Mundlos und Böhnhardt und die Höhe der Tatbeute aus. Allein in Stralsund wurden bei den zwei Überfällen einmal knapp 85.000 € und einmal knapp 170.000 € erbeutet. Die Täter nutzten spezifische Kleidung und Sturmmasken, die später bei ihnen gefunden wurden und mit DNA-Analyse auch zugeordnet werden konnten. Bewegungsprofil, Waffen, aufgefundene Banderolen, Ausspähnotizen und Zeitabläufe belegen die Tatbegehung durch Mundlos und Böhnhardt.

Am Nachmittag folgte die Vernehmung von Marcus F. Der Zeuge war in der rechten Szene in Chemnitz aktiv und sollte zu Verbindungen des Trios nach Chemnitz und Baden-Württemberg aussagen. Er leugnete anfangs, Wohlleben oder Zschäpe überhaupt zu kennen. Er könne sich außerdem „an nichts erinnern“. 1998 sei er für drei Jahre in Haft gegangen. Danach habe er angeblich mit der rechten Szene nichts mehr zu tun gehabt. Er kenne auch „niemanden“ mehr von damals. Es sei nach der Wende gewesen, da sei er in die „Szene rein gerutscht“. In Stuttgart und Ludwigsburg habe er seine Ausbildung gemacht. Dort habe er „nur“ mit einem E. Kontakt gehabt und sei ab und zu in Heilbronn bei der Verwandtschaft gewesen. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kenne er genauso wenig, wie die anderen Angeklagten. Auf etliche konkrete Vorhalte aus anderen Zeugenaussagen und Fotos, die ihn mit anderen Szeneangehörigen zeigten, blieb er dabei, dass er niemanden kennen würde. Die Antworten kamen einsilbig, pampig und regelmäßig mit: „Wees isch do nää! Kenn isch nisch. Keene Ohnung.“ Dabei belegen die Aussagen und Bilder, dass er tief in der Chemnitzer Szene verwurzelt war, Zschäpe und Mundlos bei einem Konzert kennenlernte und vor seiner Haft vielfältige Kontakte der rechten Szene aus Ludwigsburg und auch Chemnitz vermittelte. Seine Telefonnummer fand sich zudem auf der so genannten Garagenliste von Uwe Mundlos.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Marcus F. ist wieder ein Zeuge aus der rechten Szene in Chemnitz, der dreist und frech vor dem Oberlandesgericht gelogen hat. Er wird sich spätestens nach Ende dieses Verfahrens wegen Falschaussage verantworten müssen. Er reiht sich ein in eine ganze Gruppe von Zeugen, die das Verfahren durch ihr Aussageverhalten massiv verzögern und die Aufklärung verhindern wollen.“

 

Am Ende des Verhandlungstages sagte der Zeuge Alexander H., ein ehemaliger Jugendfreund von Mundlos, aus. Er selbst war seit der Kindheit ca. seit 1987/88 mit Mundlos befreundet. Die Freundschaft bestand noch, als Mundlos in die rechte Szene ging, obwohl der Zeuge selbst seine Ideologie nicht teilte. Mundlos ging in seine Schule, beide fuhren gern Rad, verbrachten in den ersten Schulklassen viel Zeit miteinander. Über ihn lernte er in Winzerla auch Beate Zschäpe kennen.

Im Verlauf der Zeit wurde der anfangs intensive Kontakt weniger, auch weil Mundlos zunehmend in die rechte Szene gegangen ist. Kurz vor der Flucht der Drei im Januar/Februar 1998 hatte er den letzten Kontakt zu Uwe Mundlos. Er sagte ihm, dass er in den nächsten Wochen für eine Zeit lang untertauchen müsse, er wolle nicht ins Gefängnis. Das sei aber auch kein großes Geheimnis gewesen. Es wäre um einen Koffer mit einem Hakenkreuz auf dem Theaterplatz in Jena gegangen. Nach der Flucht brachte Wohlleben das hochwertige Fahrrad von Mundlos vorbei. Er sollte es verkaufen, damit Mundlos Geld nach seinem Untertauchen hatte.

Mundlos bat ihn vor einer möglichen Hausdurchsuchung, seinen PC bei ihm im Zimmer unterstellen zu können. Später sprach Mundlos über eine Puppe mit Davidstern, die sie über der Autobahn aufgehangen hatten. Dann sei die Sache mit dem Koffer auf dem Theaterplatz gewesen und Mundlos habe gesagt, dass er sich der Verfolgung durch die Behörden entziehen werde; sprich: untertauchen wird. Er sagte, dass gegen ihn wegen „Terrorismusverdacht“ ermittelt werden würde.

Uwe Böhnhardt, „Böhni“, sei damals der engste Vertraute von Mundlos gewesen. Zschäpe sei mal mit Mundlos liiert gewesen. Das sei eher Anfang der 90er Jahre gewesen. Mundlos hätte irgendwann davon gesprochen, dass Zschäpe „klammern“ würde. Danach hätten sie sich getrennt, aber trotzdem weiter Kontakt gehalten. Böhnhardt und der Zeuge passten nicht zusammen. H. habe nicht in das „gesellschaftspolitische Bild“ von Böhnhardt gepasst, weil sein Vater Bulgare sei. Er habe ihn zwar ab und zu getroffen. Mundlos habe daher versucht, nähere Kontakte zwischen Böhnhardt und dem Zeugen zu vermeiden.

Mundlos sei Verfechter eines „sauberen Deutschlands“ und Verehrer von Rudolf Hess gewesen. Bevölkerungsgruppen, die auch im Nationalsozialismus „am Pranger“ standen, hätten nach dessen Auffassung in Deutschland nichts zu suchen gehabt. Böhnhardt habe den Zeugen selbst auch zu dieser Gruppe gezählt. Er habe Angst vor ihm gehabt. Böhnhardt sei ein „Freund individueller Bewaffnung“ gewesen, hätte Waffen besessen und wäre auch bereit gewesen, diese einzusetzen. Politische Überzeugung habe er mit „versteinerter Miene“ vertreten.

Mundlos sei selbstsicher in seiner politischen Überzeugung gewesen und habe sie auch durch seine Kleidung nach außen repräsentiert. Zschäpe sei in der Gruppe von Mundlos, Böhnhardt, André Kapke und Wohlleben willkommen gewesen, wäre ihm gegenüber aber reserviert aufgetreten.

Wegen der fortgeschrittenen Zeit wurde die Vernehmung von H. unterbrochen und wird an einem anderen Hauptverhandlungstag fortgesetzt.

 

 

 

 

 

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