Der langjährige V-Mann Führer von „Piatto“ will sich an nichts mehr erinnern – Acht Ordner Akten über „den Fall“ wurden durch den Verfassungsschutz Brandenburg nicht an das Gericht weitergeleitet

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Dr. Peer Stolle vom 01.07.2015

 

Der langjährige V-Mann Führer von „Piatto“ will sich an nichts mehr erinnern – Acht Ordner Akten über „den Fall“ wurden durch den Verfassungsschutz Brandenburg nicht an das Gericht weitergeleitet

 

Die Hauptverhandlung wurde zunächst mit der Vernehmung eines BKA-Beamten fortgesetzt. Er hatte eine in der Frühlingsstraße im Brandschutt aufgefundene CD „Urlaub 04“ ausgewertet. Vom 20.07. - 06.08.2004 war das Trio in der Holsteinischen Schweiz in Schleswig Holstein im Urlaub auf Campingplätzen. Die Aufenthaltsorte konnten genauso wie die Zeiten nachvollzogen werden. Bilder von dieser CD wurden genutzt, um eine Wette zu illustrieren, in der „Killer“, „Cleaner“ und „Liese“ ums Abnehmen wetten. In einer der Wetten ist der Einsatz 200 mal Videos schneiden. Aufgrund der zeitlichen Einordnung ist davon auszugehen, dass es sich dabei um das Bekennervideo des NSU handelt. Die Fotos und daraus gefertigten Wettscheine sind deswegen ein weiteres Indiz für die Mittäterschaft von Zschäpe.

Am Nachmittag wurde der weitere V-Mann Führer von Carsten Szczepanski vom Brandenburger Verfassungsschutz, der Zeuge Reinhardt Görlitz, gehört. Skurril vermummt mit einer tiefen Kapuze und Brille gab der Zeuge zumeist einsilbig genuschelte Antworten.

Er war über Jahre hinweg verantwortlich für die Abschöpfung von Informationen des V-Manns Szczepanski alias „Piatto“. Szczepanski berichtete über drei sächsische „Skinheads“, zwei Männer und eine Frau. Diese seien auf der Flucht und wollten sich vermeintlich nach Südafrika absetzen. Um Geld dafür zu erlangen würden Sie einen Überfall planen und sich derzeit über Jan W. eine Schusswaffe besorgen wollen. Er habe das als Deckblattmeldung schriftlich festgehalten und dann an die Auswertung weiter gegeben.

Die Gespräche seien „sachbezogen“ gewesen. Weitere Besonderheiten wollte er nicht erinnern. Ob die Waffe für Überfälle besorgt werden sollte, konnte der Zeuge aus seiner Erinnerung nicht mehr sagen. Überhaupt gab er an, insgesamt wenig Erinnerungen an die Aussagen zu haben. Er habe sich auf die Verhandlung mit Einsicht in Akten des Verfassungsschutzes vorbereiten können. Diese seien aber sehr umfangreich gewesen, so dass er es kurzfristig nicht geschafft hätte, sich ausreichend auf die Verhandlung vorzubereiten. Insgesamt habe er Acht große Leitzordner zur Verfügung gestellt bekommen. Darin hätten sich Unterlagen „zu dem Fall“ befunden, insbesondere Treffberichte. Das ist insofern sehr erstaunlich, weil sich bei den Verfahrensakten des Gerichts nur wenige so genannte Deckblattmeldung befinden.

Szczepanski hätte den Auftrag erhalten, an der Geschichte mit den „Dreien“ dran zu bleiben, habe aber angeblich nichts mehr erhalten. In irgendeiner „nebulösen“ Besprechung, an der er teilgenommen hat, sich daran aber nicht mehr erinnern können will, soll dann geklärt worden sein, dass der Thüringer Verfassungsschutz die Informationen an das dortige LKA weiterleiten soll.

Auf unsere Vorhalte reagierte der Zeuge regelmäßig patzig mit „Ich erinnere mich nicht“., obwohl er vor zwei Jahren im Untersuchungsausschuss des Bundestages zumindest noch teilweise dazu aussagte.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Der Zeuge Görlitz wirkt absolut unglaubwürdig. Seine Aussage ist nicht glaubhaft. Es ist nicht vorstellbar, dass ein Beamter, der sechs Jahre den angeblich wichtigsten V-Mann in der rechten Szene beim Verfassungsschutz Brandenburg geführt hat, schon an die einfachsten Sachverhalte keine Erinnerungen hat. Vielmehr ist offensichtlich, dass der Zeuge mauert. Warum das so ist, ist offen. Möglich wäre, dass er seinen ehemaligen Kollegen und jetzigen Präsident des Verfassungsschutzes in Sachsen, Meyer-Plath, schützt.“

 

 

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