Erinnerungen an Beate Zschäpe: Erdbeerschaumwein und Pistole.

Der Tag begann mit einer bewegenden Erklärung von Herrn Yozgat, dem Vater des ermordeten Halit Yozgat. Er machte deutlich, dass die Angaben des vernommenen Verfassungsschützers Andreas T. alles andere als glaubhaft sind. Er appellierte an das Gericht, sich für eine Umbenennung der Holländischen Straße in Kassel in Halit Yozgat Straße einzusetzen.

Danach wurde die Zeugin Jana J. vernommen, die inzwischen studierte Sozialarbeiterin ist. 1998 war sie noch relativ jung mit 16 Jahren in der Naziszene von Jena aktiv. André K. habe sie 1996/97 kennengelernt. Sie hatte eine recht enge Freundschaft zu ihm, die auch noch länger fortdauerte, als sie aus der Szene schon raus war. Mit Zschäpe war sie nicht näher bekannt. Sie ist ihr aber ein paar mal auch im Winzerclub begegnet und war auch mit ihr in der Disko. Einmal war sie auch in der Wohnung von Zschäpe. Zwei Dinge sind ihr heute noch gut in Erinnerung: Zschäpe hatte Erdbeerschaumwein und eine Pistole zu Hause. Zschäpe nannte die Pistole „Wally“ und hatte ein Schulterhalfter dafür unter der Jacke. Dass Zschäpe eine Waffe besaß, hat sie auch nicht gewundert. Ihre ganze Generation sei sehr waffenaffin gewesen. Allerdings sagte sie auch, dass es nicht üblich war, dass man zu der Zeit Waffen besaß.

Zschäpe war in der Naziszene in der damaligen Zeit unterwegs gewesen. Es war bekannt, dass sie mit Mundlos und Böhnhardt sehr sehr eng befreundet war. Das sei ein „exklusives Verhältnis“ gewesen, deswegen hätten auch alle immer von den Dreien gesprochen. Zschäpe sei mit beiden mal zusammen gewesen. Das Untertauchen der Drei sei ein großes Thema gewesen, es habe die Szene aufgewertet, hätte eine „Sensationsstimmung“ ausgelöst. Dann hätte auch so ein Katz und Maus Spiel mit den Behörden angefangen: Telefonüberwachung, Hausdurchsuchungen, Observationen, Überwachung. Vor der Flucht habe man in der Szene noch locker rumgehangen, danach sei die Stimmung anders gewesen. Es sei konspirativer und bedrohlicher geworden. André K. hätte mit ihr überhaupt nicht über eine Unterstützung der Drei gesprochen. Der Bruder von André K habe allerdings mal ein Konzert veranstaltet, um Geld für die Drei zu sammeln.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Es passt ins Bild der selbständigen, überzeugten und aggressiven Zschäpe, dass sie vor dem Diskobesuch in ihrer Wohnung noch ihren Freundinnen ihre Waffe im Schulterhalfter präsentiert und ihr sogar einen Namen gibt.“

An der so genannten „Geburtstagszeitung“ hat sie mitgearbeitet. Es ist ihre Schrift. Sie hätte sich das sehr genau angeschaut. Sie könne sich vorstellen, dass sie das im damaligen Kontext einfach lustig fanden, so bitter das sei. Viel sei ironisch gemeint gewesen.

Sie wußte damals aus der Zeitung von einer Bombenwerkstatt in der Garage und einem Bombenkoffer auf dem Theaterplatz. Ihr kam das alles sehr absurd vor, so konnte sich das nicht vorstellen, sie sei aber damals noch jung und naiv gewesen. Eine rechte Meinung sei damals im Osten auch völlig normal gewesen, man habe in jeder Disko Nazis getroffen. Ihr Umfeld seien André K., Wohlleben, Carsten S. und Stefan A., der Cousin von Zschäpe gewesen. Stefan A. sei politisch nicht so aktiv gewesen, der Rest schon.

Mundlos kannte sie kaum. Mit Böhnhardt sei sie mal Auto gefahren, aber näher kannte sie ihn auch nicht. Wohlleben habe auch unpolitische Freunde gehabt, deswegen habe sie ihn gar nicht als so radikal empfunden. Im Winzerclub haben zwei bekannte Bands geprobt. Das sei so ein allgemeiner Treffpunkt für Nazis und Hooligans gewesen. Sie habe heute keine negativen Erinnerungen an die Leute aus dieser Zeit, die seien alle „so nett“ gewesen.

Zschäpe hätte eine typische Neubauwohnung für Lobeda gehabt. Über der Couch hing eine Fahne und auch mindestens eine Waffe. Die Verteidiger von Wohlleben hätten ihr einen Link mit der „Geburtstagszeitung“ für André K. geschickt, mit der Bitte zu erklären, wie die Zeitung zustande gekommen ist. Zudem sei ihr die Information gegeben worden, dass diese Zeitung das „Hauptbeweismittel“ gegen Wohlleben sei. Sie habe zurück geschrieben, dass sie sich dazu nicht äußern wolle. Sie wisse nicht mehr genau, wer was an der Zeitung gemacht habe. Es ist ihre Schrift und die Bastelei sehe nach ihr aus. Es sei alles Ironie gewesen und auch als Mordliste nicht ernsthaft gewesen, alles mehr Folge der „Verfolgung“ durch den Staat. Woher die Texte oder Fotos kommen, wisse sie nicht.

Die politische Gesinnung von André K. war nationalistisch, rasisstisch und fremdenfeindlich. Er war gut vernetzt. Mit ihm habe sie viel politisch diskutiert. Sie seien „tollerant und sportlich“ miteinander umgegangen. Mit Tino Brandt habe er viel politisch zu tun gehabt.

Die Zeugin berichtete, dass sie mit 16 in die rechte Szene „geraten“ sei. In der Familie gab es eine Eskalation mit einem „rasanten sozialen Abstieg“. Deswegen sei sie auch nach Lobeda gezogen. Fremdenfeindlich sei da jeder gewesen. Die Neonazis hätten das halt bloß lauter gesagt und sie hätte deren Meinung unreflektiert geteilt. Sie sei maximal bei ein bis zwei Demos gewesen und hätte zu ihrem Freund und ihrem Umfeld gehalten. Als Nationalisten hätten sie sich dauerhaft der Repression ausgesetzt gefühlt, das hätte auch den Zusammenhalt gestärkt.

Gewalt habe in der Szene immer eine Rolle gespielt. Auch André K. selbst habe Gewalt als Mittel eingesetzt. Schlägereien mit Linken habe es gegeben. Rassistische Gewalt sei in Jena kein Thema gewesen, weil es ja auch keine Migrantinnen gegeben habe. Ob Wohlleben, Böhnhardt oder Mundlos bewaffnet gewesen seien, wisse sie nicht. Die beiden Uwes seien aber oft mit braunen Uniformen rumgelaufen.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Die Zeugin Jana J. hat teilweise sehr detaillierte und nachvollziehbare Erinnerungen. Dass sie sich gerade daran nicht erinnern will, was Wohllebens Anteil an der gewaltverherrlichenden rassistischen und antisemitischen „Geburtstagszeitung“ für André K. war, ist nicht glaubhaft. Als Hintergrund für diese vermeintliche Gedächtnislücke kann gesehen werden, dass sie ihren alten Freund Wohlleben entlasten will. Seine Verteidiger hatten zuvor extra mit ihr Kontakt aufgenommen, ihr eine Kopie der „Geburtstagspost“ zu kommen lassen und extra darauf hingewiesen, dass das zumindest ein wichtiges Beweismittel sei. Verteidiger dürfen natürlich eigene Ermittlungen anstellen und auch Kontakt zu potentiellen Zeugen herstellen. Sie dürfen aber deren Aussagen weder beeinflussen, noch als vertraulich eingestufte Beweismittel weiterreichen.“

Die Zeugin wird erneut am 16. April geladen werden. Dann wird auch die Nebenklage Fragen stellen können.

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