Netzwerk – nicht isoliertes Trio: Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bewegten sich nach dem Abtauchen ganz normal in der Chemnitzer Naziszene

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 03.02.2015

 

Netzwerk – nicht isoliertes Trio: Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bewegten sich nach dem Abtauchen ganz normal in der Chemnitzer Naziszene

 

Enrico R. war heute als erster Zeuge geladen. Der Mann, der sich selbst als „Nationalist“ bezeichnet, war schon Anfang der 90iger Jahre mit Mundlos und Zschäpe befreundet. Böhnhardt kannte er, an den Rest der Angeklagten konnte – oder wollte – er sich nicht recht erinnern. Er war dann mehrere Jahre inhaftiert und ging nach der Entlassung zurück nach Chemnitz. Dort traf er in der Wohnung von Gunter F. die drei Untergetauchten, die sich allerdings nicht sonderlich konspirativ verhielten. Sie hätten sich „ganz normal“ in der rechten Szene in Chemnitz bewegt. Erst mehrere Wochen später habe er dann erfahren, dass die drei auf der Flucht seien. Später hieß es, dass sie ausgewandert wären. Thomas St., einer der führenden Köpfe von Blood & Honour und der Ex-Freund von Zschäpe, habe die gesamte Unterstützung der Drei in Chemnitz eingefädelt. Er habe dazu die Hilfe von „Jungglatzen“ in Anspruch genommen, die polizeilich nicht bekannt waren.

 

Auf konkrete Vorhalte aus der polizeilichen Vernehmung wich R. aus und versuchte heute zu erklären, dass er viel nur aus der Presse gewusst habe. Das hatte er damals allerdings nur zu einer konkreten Situation, nämlich zum Kontakt zur „White-Power-Mandy“, alias Mandy S., berichtet. Die anderen Informationen aus seiner Vernehmung waren zudem damals in der Presse in der Form noch gar nicht bekannt.

 

R. gab heute an, dass er mindestens dreimal vernommen wurde. Allerdings befindet sich nur eine Vernehmung in den Verfahrensakten.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

„Nicht zum ersten Mal hat die Bundesanwaltschaft offensichtlich zu diesem Verfahren gehörende Vernehmungen nicht den Verfahrensbeteiligten und insbesondere nicht dem Gericht vorgelegt. So kann eine transparente Aufklärung der angeklagten Taten nicht erfolgen. Es erscheint erneut so, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungsergebnisse so vorsortiert, wie es ihr passt und eine selektive Informationspolitik betreibt, um ihre nicht mehr haltbare These von drei isolierten Einzeltätern mit allen Mitteln weiter zu verfolgen.“

 

Die Vernehmung von Enrico R. wurde zunächst unterbrochen, weil das Gericht die BKA-Vernehmungen beizieht, die die Bundesanwaltschaft nicht vorgelegt hatte.

 

Am Nachmittag wurde der Zeuge Robby H. vernommen. Er begann sofort sich einsilbig auf komplettes Erinnerungsversagen zu berufen. Noch im Oktober 2012 hatte H. über 14 Seiten detaillierte Angaben beim BKA gemacht, die ihm der Vorsitzende nun im Einzelnen vorhalten musste. H. relativierte sich und versuchte sich in Erinnerungslücken zu flüchten. Damals hatte er beispielsweise noch gesagt, das scharfe Waffen in der Szene eine Rolle gehabt hätten. R. hätte mit ihm auch mal geschossen. Er selbst sagte noch beim BKA, dass er mal eine Kalaschnikow, 12 Handgranaten und eine „Badewanne von Munition“ gekauft hatte. Erst auf mehrfache Nachfragen bestätigte H. das nun auch vor Gericht. Auch gab er an, dass er in Dänemark eine abgesägte Schrotflinte gekauft hatte. Mit Thomas St.  hatte er zudem eine Bundeswehrveranstaltung überfallen. Er sagte damals gegen Thomas St. aus, der daraufhin zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. H. hatte Angst vor Rache und bewaffnete wiederum sich mit einer scharfen Pistole. H. berichtete ferner über gute Kontakte und Konzerte der Naziszene aus Chemnitz nach Heilbronn. Dort sei auch mal übernachtet worden.

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