Rechtsanwalt Dr. Elberling hat plädiert

Rechtsanwalt Dr. Elberling vertritt Herrn F.K., Opfer des ersten bekannten Raubüberfalls des NSU in Chemnitz. Auf ihn wurde mehrfach gezielt geschossen, als er die Täter verfolgte. Unter dem 05. Dezember hielt er nun sein Plädoyer im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Das Plädoyer reiht sich in einen gemeinsam abgestimmten Vortrag der Nebenklagevertreter_Innen Carsten Ilius, gemeinsam mit Elif Kubaşık, Sebastian Scharmer, gemeinsam mit Gamze Kubasik, Dr. Peer Stolle, Berthold Fresenius, Stephan Kuhn, Antonia von der Behrens und Alexander Hoffmann ein. Die gesamten Plädoyers können hier selbstverständlich nicht wieder gegeben werden. Allerdings sollen zu jedem der gemeinsam abgestimmten Vorträge hier eine kurze Zusammenfassung und jeweils ausgewählte Zitate wiedergegeben werden.

Die Raubüberfälle des NSU, insbesondere der Überfall auf einen Chemnitzer Edeka-Markt am 18.12.1998 und der versuchte Mord an F.K.

(Hinweis: Der Nebenkläger F.K. verlangt ausdrücklich, in der Berichterstattung nicht namentlich genannt zu werden, auch nicht mit abgekürztem Nachnamen.)

 

Das Plädoyer zeigt anhand der Raubtaten des NSU und der Ermittlungen hierzu, dass viele der zentralen Themen der Nebenklage sich hier noch einmal „im Kleinen“ wiederfinden:

  • die erschütternde Brutalität und Enthemmtheit der NSU-Mitglieder,

  • ihre Eingebundenheit in ein Netzwerk eingeweihter Unterstützer,

  • die der Staatsräson geschuldete Einengung der Ermittlungen anhand der These von der isolierten Dreier-Zelle,

  • und die Rolle des Verfassungsschutzes, der eine Aufklärung auch der Raubtaten – und damit möglicherweise auch insoweit die Verhinderung weiterer Morde – vereitelte.


RA Dr. Elberling vertritt einen jungen Mann, der am 18.12.1998, damals 16-jährig, Zeuge des NSU-Überfalls auf einen Chemnitzer Edeka-Markt wurde und die Verfolgung aufnahm, woraufhin diese mehrere gezielte Schüsse auf ihn abgaben. Es ist dies die erste bekannte Tat des NSU nach dem Untertauchen. Die Raubtaten des NSU standen zu Recht nicht im Fokus des Verfahrens, dennoch lassen sich aus den Ermittlungen und der Beweisaufnahme hierzu einige wichtige Schlüsse ziehen:

Der Tatnachweis ist hinsichtlich aller angeklagten Raubtaten geführt – insb. durch die Tatwaffen, Tatkleidung und die Beute, die in der NSU-Wohnung in Zwickau gefunden wurden, und den gleichbleibenden Modus Operandi bis zum Überfall in Eisenach am 04.11.2011. Zschäpe wie auch Eminger, der für zwei Überfälle die Tatfahrzeuge mietete, sind für diese Taten zu verurteilen.

Mundlos und Böhnhardt gingen auch bei diesen Logistikstraftaten mit erschreckender Brutalität vor. Der Versuch der Verteidigung Wohlleben, Böhnhardt und Mundlos als reine „Psychopathen“ zu psychologisieren, ist ein klassischer Verdrängungsmechanismus in Reaktion auf rassistische Taten. Es liegt aber auf der Hand, dass die Menschenverachtung und Empathielosigkeit auch dieser Taten schlicht Ausdruck nationalsozialistischer Ideologie sind.

Zum Zeitpunkt der ersten Tat waren die drei Untergetauchten eng in die Chemnitzer Neonazi-Szene eingebunden, aus der sich vermutlich auch der dritte Täter des Überfalls rekrutierte. Spätestens nach dieser Tat wussten alle Unterstützer von der Gefährlichkeit der Untergetauchten.

Einer dieser Unterstützer war der Chemnitzer Jan Werner, es bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass er die Waffe für den Überfall besorgt hatte. Ein Antrag auf Akteneinsicht in das Verfahren gegen Werner wurde mit fadenscheiniger Begründung abgelehnt – die Bundesanwaltschaft hält mit allen Mitteln an ihrer These der isolierten Dreierzelle fest.

Diese These erklärt auch die lustlosen und dilettantischen Ermittlungen des BKA nach 2011 – so wurde etwa der Geschädigte F.K. erst auf mehrfache Aufforderung des Gerichts persönlich ausfindig gemacht, in der Anklage war nur von einem „etwa 16-jährigen Jugendlichen“ die Rede.

Im Gegensatz dazu hatten die Raubermittler vor 2011 durchaus vernünftige Ermittlungen zu den Raubtaten geführt – was sehr gut zeigt, wozu Ermittlungen führen können, die nicht vom institutionellen Rassismus befallen sind. Ein Erfolg war ihnen auch deshalb nicht vergönnt gewesen, weil die Verfassungsschutzbehörden auch ihnen ihre Erkenntnisse vorenthielten.

 

 

Zitate:

Zur Brutalität der Taten:

„Entmenschlichung, Menschenverachtung, Empathielosigkeit sind Ausdruck national­sozialistischer Ideologie. Und zur Umsetzung dieser Ideologie braucht es dann eben einerseits die Buchhalter, die Funker, die Zentralfiguren der Unterstützerszene und die Stallwachen im Hauptquartier, und es braucht andererseits diejenigen, die die menschenverachtende Ideologie in ganz konkrete Taten, in Morde, Sprengstoffanschläge usw. umsetzen – und eben auch in Raubtaten.“

Zum Wissen der Unterstützer von der Gefährlichkeit der Untergetauchten:

„Nach dem Überfall auf den Edeka-Markt und dem versuchten Mord an meinem Mandanten kann keinem der Unterstützer der Untergetauchten, kann keinem Unterstützer des NSU mehr verborgen geblieben sein, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe über scharfe Waffen verfügten und bereit waren, diese selbst bei Logistikstraftaten in tödlicher Weise einzusetzen.“

Zu den Ermittlungen des BKA:

„Die These von der isolierten Dreierzelle spiegelt sich auch in den Ermittlungen des BKA nach dem 04.11.2011 wieder: was nicht strikt zur Bestätigung der Anklagethese gebraucht wird, dem wird gar nicht oder so lustlos und dilettantisch nachgegangen, dass es kaum zu glauben ist. […] Dass von dieser Behörde die Aufklärung von Umständen, die auch nur potentiell über eine Bestätigung der viel zu engen Anklage hinausgehen, erst recht nicht zu erwarten ist, liegt auf der Hand.“

Als Reaktion zitiert Elberling die am 09.12.2015 verstorbene Rechtsanwältin Angelika Lex, die im NSU-Verfahren die Witwe von Theodoros Boulgarides vertreten hatte. Angelika Lex hatte am 11.11.2015 den Georg Elser-Preis der Stadt München verliehen bekommen und bei ihrer Rede in Reaktion auf einen Staatsschutzbeamten, der rassistische Übergriffe verharmloste, gefordert:

„Bitte schickt diesen Menschen an einen Baumarkt-Parkplatz und lasst ihn dort Autos nach rechts und nach links einweisen, aber nehmt ihm seinen Titel als „Staatsschutzbeamter“ weg!“

 

 

 

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