Stellungnahmen zu den Anträgen der Verteidigung Zschäpe

Presseerklärung des Nebenklagevertreters Rechtsanwalt Peer Stolle vom 10. Februar 2015

Im Mittelpunkt des heutigen Hauptverhandlungstages stand die Vernehmung eines weiteren Geschädigten aus der Keupstraße, die Fortsetzung der Vernehmung von Enrico R. aus der Chemnitzer Nazi-Szene sowie die Stellungnahmen zu dem Antrag der Verteidigung Zschäpe, die Zulassung einer Geschädigten des Nagelbombenanschlages als Nebenklägerin aufzuheben.

Zunächst wurde am heutigen Hauptverhandlungstag ein weiterer Betroffener des Nagelbombenanschlages in der Keupstraße gehört. Der Zeuge berichtete, wie er mit seiner Freundin den Friseursalon aufsuchte, um sich die Haare schneiden und sich rasieren zu lassen, als plötzlich die Bombe explodierte. In dem Salon sei Panik ausgebrochen, vor dem Geschäft hätte jemand gestanden, dessen Beine hätten gebrannt. Sie seien dann über dem Hinterhof aus dem Geschäft raus. Er selber sei nicht verletzt worden, seine Freundin hätte aber Ohrenschmerzen gehabt und Schnittwunden und später auch psychische Probleme.

Im Anschluss daran wurde seitens der Bundesanwaltschaft und der Nebenklage zu dem Antrag der Verteidigung Zschäpe, die Zulassung der Zeugin S. als Nebenklägerin zu widerrufen und die Beiordnung ihres Rechtsanwaltes Alexander Hoffmann aufzuheben, Stellung genommen. Die BAW führte aus, dass die Zeugin S. zwar nicht als Verletzte eines versuchtes Tötungsdeliktes und auch nicht einer gefährlichen Körperverletzung in Betracht käme, aber als Geschädigte einer versuchten gefährlichen Körperverletzung, da sich der Verletzungsvorsatz der Täter auf alle im potentiellen Sprengbereich der Splitter und Nägel aufhältigen Personen bezog. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Nebenklage, so die BAW, seien daher weiter gegeben, wenn auch nur wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung.

Im Anschluss hat Rechtsanwalt Hoffman und weitere Nebenklägervertreter zu dem Antrag Stellung genommen und unisono beantragt, diesen zurückzuweisen. Betont wurde u. a., dass nach der einhelligen Rechtsprechung die einmal erteilte Zulassung als Nebenklägerin nicht aus tatsächlichen Gründen, sondern nur aus rechtlichen Gründen widerrufen werden kann. An der Zulassung der Nebenklage ändert sich nichts, wenn im Laufe der Beweisaufnahme die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung der Angeklagten wegen des nebenklagefähigen Deliktes abnimmt oder sogar unwahrscheinlich wird.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu: "Was die Verteidigung Zschäpe im Endeffekt will, ist schon zum jetzigen Zeitpunkt die Feststellung des Senates, dass Zschäpe unter keinen Umständen schuldig eines versuchten Mordes oder einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin S. schuldig sein kann. Dieser Antrag zielt insofern auf einen de-facto-Freispruch der Angeklagten Zschäpe für die Tat zum Nachteil der Zeugin S. ab; obwohl die Beweisaufnahme - auch zum Komplex Keupstraße - noch gar nicht abgeschlossen ist. Die Verteidigung Zschäpe will mit ihrem Antrag den Senat dazu zu bringen, schon jetzt Feststellungen zu treffen, die der Urteilsberatung vorbehalten sind. Damit soll versucht werden, von dem unbedingten Tötungswillen der Täter des Nagelbombenanschlages abzulenken. Er kann keinen Erfolg haben."

Am Nachmittag wurde die Vernehmung des Zeugen Enrico R. fortgesetzt. Die Vernehmung wurde in der letzten Woche unterbrochen, weil sich erst in der Hauptverhandlung ergab, dass es weitere Vernehmungen des Zeugen durch das BKA gegeben hatte; deren Protokolle aber seitens der Bundesanwaltschaft nicht zur Akte gereicht wurden. Seitens der Nebenklage wurde vor allem nach Kontakten des Trios sowie nach Kontakten innerhalb der Chemnitzer Szene und zwischen dieser und der Thüringer Szene nachgefragt. Der Zeuge bestätigte, dass schon seit Anfang der Neunziger Jahre intensive Kontakte zwischen Thüringen und Chemnitz gegeben hat. Auch ein "Wolle" - so der Spitzname von Ralf Wohlleben - sei dabei gewesen.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass auch dieser von der Verteidigung Wohlleben Zeuge nicht die Tatsachen, die von der Verteidigung behauptet worden sind, bestätigen konnte.

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