Szeneaussteiger Kay S. belastet Zschäpe und Wohlleben schwer

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 29.04.2015

 

Szeneaussteiger Kay S. belastet Zschäpe und Wohlleben schwer

 

Selten ergibt sich im NSU-Prozess die Möglichkeit von Zeugen aus der rechten Szene brauchbare Auskünfte zu bekommen. Kay S. war in den 90iger Jahren als Skinhead in der rechten Szene mit Mundlos, Böhnhart, Zschäpe und Wohlleben unterwegs und zumindest mit Mundlos auch befreundet. Er hat sich inzwischen von seinen damaligen Ansichten distanziert und berichtete nachvollziehbar seine Erinnerungen.

Vor dem Untertauchen hatte er zu allen Dreien Kontakt. Das seien „Faschos“ gewesen, er habe mehr der „Spaßfraktion“ der Skinheads angehört. Mitte der 90er Jahre hätte eine Radikalisierung in der rechten Szene stattgefunden. Mundlos und Böhnhardt seien in SA-Uniformen herumgelaufen. Mundlos habe versucht, ihn stärker für den Nationalsozialismus zu begeistern. Ausländerhass und Vorurteile waren ein präsentes Thema. Böhnhardt habe er nicht leiden können. Er habe keine anderen Meinungen geduldet, sei sehr aggressiv und auch irgendwie sadistisch gewesen. Er soll beispielsweise sein Haustier, ein Kaninchen, lebendig begraben haben.

Zschäpe sei erst mit Mundlos, dann mit Böhnhardt zusammen gewesen. Am Ende aber nach seiner Erinnerung mit keinem der beiden mehr. Zschäpe habe Probleme mit beiden berichtet, weil Mundlos und Böhnhardt ihre Familie und insbesondere ihren Cousin Stefan A. als „asozial“ beschimpft hätten. Sie hätte sich dann 1997 eine Weile von den beiden fern gehalten, sei bei dihrem Cousin gewesen. Der Zeuge hätte zu dieser Zeit allerdings relativ wenig mitbekommen, weil er selbst bei der Bundeswehr war.

Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt baten den Zeugen, ihnen ein falsches Alibi zu geben. Das war ca. 2 Monate bevor sie einen Puppentorso mit einem Davidstern als Bombenattrappe über die Autobahn gehangen haben. Er selbst wäre dann später dabei gewesen, als der Puppentorso von Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt und Wohlleben aufgehangen wurde. Vor Gericht hatte er damals gelogen, was ihm heute sehr leid tue.

Nach dem Abtauchen der Drei hätte ihn Wohlleben um Unterstützung gebeten. Er sollte Geld zahlen und außerdem in Kontakt mit der der Mutter von Böhnhardt treten. Eigentlich hatte der Zeuge auch seine Unterstützung zugesagt. Denn als er selbst mit circa 15 quasi obdachloswurde hatten Zschäpe und Mundlos ihn unterstützt. Er hatte eigentlich die Vorstellung, dass Böhnhardt Silvesterknaller gehortet hätte und Geld für einen Anwalt brauchte. Das sei dann aber nicht so gewesen. Die hätten echten Sprengstoff gehabt, an Bomben gebaut und wollten das Geld für den „Untergrund“ haben. Das wollte er nicht unterstützen. Allerdings setzte ihn dann Wohlleben unter Druck. Er bestellte ihm Grüße von Böhnhardt, fragte, wo das Geld bleibt und hielt ihm vor, dass er mit drin hänge, weil er eine Falschaussage gemacht habe. Wohlleben hat ihn dann zur Mutter von Böhnhardt geschickt. Dort habe er gesagt, dass er Geld liefern solle, aber derzeit nicht könne und gefragt, ob Familie Böhnhardt das nicht vorstrecken könnte. Letztlich habe er selbst dann nie Geld für die Unterstützung der Drei geliefert. Danach habe er auch nie wieder Kontakt mit Wohlleben gehabt.

Mundlos habe ihm einmal erzählt, dass er Sprengstoff besorgen wolle. Er geriet mit ihm darüber in Streit, sagte Mundlos, dass man doch nicht im Krieg sei. Auf Frage, wo er dann Sprengstoff beziehen könne, sagte er nur „von Kameraden aus den alten Bundesländern“. Mundlos habe gute Kontakte nach Ludwigsburg in Baden-Württemberg gehabt. Er sei selbst auch mal mit Mundlos und Zschäpe dort gewesen. Nach Chemnitz hätten gute Beziehungen zur dortigen Szene bestanden. Er selbst war mit Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt und anderen öfter dort. Zwischen Böhnhardt und Thomas St. aus Chemnitz habe es Spannungen gegeben, weil beide eine Beziehung mit Zschäpe hatten.

Die Vernehmung wurde für heute unterbrochen, weil die Verteidigung Zschäpe und Wohlleben noch „Beratungsbedarf“ mit ihren Mandanten hätten.

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