Szenezeuge widerspricht der Einlassung von Zschäpe; Das Gericht hat viele detaillierte Nachfragen an Zschäpe - persönlich antworten will sie nicht

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Sebastian Scharmer und Rechtsanwalt Dr. Stolle vom 15.12.2015

 

Szenezeuge widerspricht der Einlassung von Zschäpe; Das Gericht hat viele detaillierte nachfragen an Zschäpe - persönlich antworten will sie nicht

 

Die Verhandlung wurde zunächst regulär fortgesetzt. Als Zeuge war der Jenaer Volker H. geladen, der bei der Flucht der Drei im Jahr 1998 Hilfe geleistet haben soll. H. berichtete, dass er die Drei und Wohlleben ca. 1994 kennen gelernt hatte. Man sei auf Parties und Demos gewesen. Vielleicht habe er die Leute auch im Winzerclub in Jena kennengelernt. Sie seien auch auf "Liederabendenden" und Demonstrationen gewesen. Der Kontakt sei kumpelhaft bis freundschaftlich gewesen. In der rechten Szene seien sie aktiv gewesen, hätten beispiesweise gemeinsam Transparente für Demos angefertigt. Nach dem Untertauchen habe er keinen Kontakt mehr mit den Dreien gehabt, angeblich seit 2000 auch nicht mehr zu Wohlleben. Wohlleben sei mit den Dreien gut befreundet gewesen. Man habe die fast immer zusammen getroffen.

Böhnhardt sei 1998 zu ihm gekommen, dann wäre man zu Juliane W., der Freundin von Wohlleben, in die Schule gefahren. Böhnhardt habe W. aus der Schule heraus gebracht. Juliane W. fuhr mit ihm zunächst in die Wohnung von Zschäpe. Dort holten sie Säcke mit Kleidung ab. Danach seien sie zu Wohlleben gefahren. Den habe er aber persönlich nicht getroffen, habe dort aber das Auto von Böhnhardt übergeben bekommen. Er sei dann damit noch den ganzen Tag herumgefahren und irgendwann festgenommen worden, weil die Polizei dachte, dass er Böhnhardt gewesen sei.

Der Zeuge wollte sich an keine inhaltlichen Absprachen, die an dem Tag erfolgt sind, mehr erinnern. Er wisse noch, dass er das Auto von Böhnhardt abends irgendwo abstellen sollte. Juliane W. habe den Schlüssel zur Wohnung von Zschäpe wohl von Böhnhardt erhalten.

Mit Wohlleben habe er wenige Tage später noch einmal darüber gesprochen. Er habe gesagt, er wisse nichts und da habe H. auch nicht weiter nachgebohrt. In der Zeitung habe schon gestanden: "Bombenleger auf der Flucht".

Böhnhardt charakterisierte er als sehr zielstrebig und ansonsten "normal". Er habe auch mal Waffen bei ihm gesehen. Böhnhardt sei rechts und "national" gewesen; mit einem militanten Auftreten. Er habe sich viel mit Rudolf Hess und "Geschichte allgemein" beschäftigt. Mundlos sei von der Einstellung und im Auftreten ähnlich gewesen, habe aber dabei immer einen "lustigen Spruch auf den Lippen" gehabt. Wohlleben sei ihm sympatisch gewesen, eher ruhiger, keine prügelnde "Assiglatze". Zschäpe sei immer lebensfroh mit den beiden zusammen aufgetreten. Die Drei waren "immer dicke mit einander gewesen. Da konnte sich einer auf den anderen verlassen." Man hätte sie selten alleine gesehen. Probleme zwischen den Dreien hat er nicht wahrgenommen, die wären immer zusammen gewesen.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Die Aussage des Zeugen war zwar von behaupteten Erinnerungslücken geprägt. Auf der anderen Seite schloss er mehrere Sachverhalte kategorisch aus. So widersprach er zum einen der Zeugin Juliane W., die einen anderen Geschehensablauf der Fluchthilfe schildert. Zum anderen widersprach er auch eklatant der Einlassung von Zschäpe. Es dürfte nicht der erste und nicht der letzte Zeuge sein, der diese Erklärung widerlegt.“

 

Am Ende des heutigen Hauptverhandlungstages versuchte der Senat dann zu klären, wie und ob eine Befragung von Frau Zschäpe stattfinden soll. Ihr Verteidiger Grasel hatte zuvor mitgeteilt, dass Fragen nur auf schriftliche Anfrage, schriftlich vorbereitet beantwortet werden sollen. Darauf ließ sich das Gericht nicht ein. Stattdessen stellte der Vorsitzende seine ersten Fragen zur Person und Sache. Zschäpe beantwortete die Fragen nicht. Ihr Verteidiger erklärte, dass er die Fragen notieren würde und dann schriftlich vorbereitet eine Antwort verlesen möchte. Seine Mandantin sei aufgrund der Belastung durch das Verfahren "nicht in der Lage" Fragen sofort und persönlich zu beantworten. Sie denke, dass ihre Äußerungen missverstanden werden könnten.

Die Fragen des Senats betrafen eine Vielzahl von Äußerungen der Angeklagten. Es ging vor allem um die Nennung von Details und Namen von weiteren Zeugen und Beweismitteln. Möglicher Hintergrund der Fragen ist, dass die offenischtlich taktisch motiivierte Einlassung versucht werden soll, an verschiedenen Punkten auch durch andere Beweismittel zu überprüfen. Die ersten schriftlichen Formulierungen der Einlassung waren nämlich im Wesentlichen so konstruiert, dass wenig Details überprüft werden können. Das versucht der Senat nun kritisch zu hinterfragen. Zudem ging es um weitere Unterstützer und ggf. Mittäter.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

"Es werden nicht die letzten Fragen sein, die der Senat an Zschäpe stellt. Die Art und Weise, wie diese Fragen beantwortet werden sollen, minimiert den Beweiswert der Einlassung ohnehin schon erheblich. Die Art der Fragen zeigt aber auch - wenig überraschend - dass der Senat selbst erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der bisherigen schriftlichen Äußerungen hat. Er will weitere Anknüpfungspunkte ermitteln, um jeden Punkt der Einlassung genau nachzuprüfen. Zschäpe wird - selbst schriftlich vorbereitet und taktisch überlegt - erhebliche Schwierigkeiten haben, diese Fragen plausibel zu beantworten."

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