BVerwG: Überfliegen eines Camps mit einem Tornado ist ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit

Vor mehr als zehn Jahren, am 05.06.2007, überflog vormittags um 10 Uhr 30 ein mit High-Tech-Kameras ausgestatteter Tornado der Bundesluftwaffe im Tiefflug mit ohrenbetäubendem Lärm das Camp Reddellich bei Heiligendamm. Im Camp hielten sich tausende von Menschen auf, die bis dahin schon an Demonstrationen und Aktionen aus Anlass des G 8-Gipfels teilgenommen hatten und auch in den nächsten Tagen weiter teilnehmen würden. Die politische Stimmung war aufgeheitzt und das Camp stand unter dichter Beobachtung der Polizei, die ein imenses Aufgebot aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen gezogen hatte. An Zufall oder einen Pilotenfehler war da nicht zu glauben, allenfalls über den genauen Inhalt der Botschaft ließ sich noch spekulieren. Dass dabei noch Aufklärungsfotos für die Polizei geschossen wurden und der Bundeswehr ein Einsatz im Innern von der Verfassung  grundsätzlich versagt ist, tat ein Übriges. Die Fotos aus den Bordkameras sickerten in die Presse durch und zeigen Gruppen von Menschen im Camp zwischen den Zelten, in kreisförmigen Runden oder unter dem gut lesbaren Transparent der "Grünen Jugend".

Betroffene dieses seit langem wohl spektakulärsten Einsatz der Bundeswehr im Innern zogen vor Gericht. Es brauchte zehn Jahre, bis jetzt in dritter Instanz das Bundesverwaltungsgericht endlich festgestellt hat, was wohl allen BeobachterInnen vor Ort schon am am selben Tag um 10 Uhr 31 klar war:  Der Einsatz schwersten Kriegsgeräts beinahe zum Greifen nach über den Köpfen von tausenden von Menschen, die nicht gekommen waren, um beim G 8-Gipfel den Regierungen zuzujubeln, greift in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein.

Die Erklärungen, welche die Landesregierung aufgebracht hatte, um ihren Ruf nach Amtshilfe der Luftwaffe zu rechtfertigen, stehen damit in einem anderen Licht. Die Gerichte des Landes Mecklenburg-Vorpommern hatten sich schon lange Zeit gelassen und mochten nie einen Grundrechtseingriff erkennen. An sie ist die Sache nun zur weiteren Unterschung zurück verwiesen.


Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, der eine Klägerin vertritt, erklärt dazu: "Als Druchbruch für die Freiheit wird die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10.2017 gleichwohl nicht in die Rechtsgeschichte eingehen: Artikel 87a des Grundgesetzes, welcher dem Einsatz der Bundeswehr im Innern enge Grenzen setzen will,  soll nach der Auffassung des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts den Einsatz von militärischer Aufklärungstechnik im Dienste der Polizei nicht verbieten. Das hatten sich die Betroffenen nach der Lektüre des Grundgesetzes und auch einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2012 noch anders vorgestellt."

 

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichs finden Sie hier.

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