Deutsche Journalistin Mesale Tolu weiter in Haft
Die von uns vertretene deutsche Journalistin Mesale Tolu bleibt weiterhin in türkischer Haft.
Anlässlich des für den 11. Oktober anberaumten Prozessbeginns reisten Rechtsanwältin Dr. Woweries und Rechtsanwalt Hummel nach Silivri. In der Gerichtsverhandlung vor dem Staatsschutzgericht in Silviri wurde der Antrag von Frau Tolu auf Haftentlassung abgewiesen. Der Verhandlungstag war geprägt von den Einlassungen der 18 Angeklagten. Diesen wird, wie auch unserer Mandantin, „Mitgliedschaft und Propaganda in einer terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen. Inkriminiert wird die Teilnahme unserer Mandantin an Gedenkveranstaltungen in den Jahren 2014 und 2015 für im Kampf gegen den IS getötete Personen und an einer Beerdigung zweier Frauen, die während einer Hausdurchsuchung von Polizisten getötet wurden, sowie an einer Demonstration, die sich im Februar 2014 u.a. gegen Korruption richtete. Diese Veranstaltungen waren alle nicht verboten. Es gibt nichts, was man unserer Mandantin über die reine Teilnahme hinaus vorwirft, etwa Vermummung, Aufrufe zur Gewalt oder gar Gewaltanwendung oder das Skandieren verbotener Parolen – nichts von alledem ist in Rede. Die Anklage stützt sich - neben Fotos von den besagten Veranstaltungen - auf einen geheimen Zeugen, der laut Anklageschrift u.a. angegeben haben soll, Frau Tolu nicht zu kennen, ihren Namen nicht zu kennen jedoch zu wissen, dass sie in einer örtlichen Struktur der „Terrororganisation“ MLPK mitarbeiten würde.
Frau Tolu erklärte unter Hinweis auf die Verdächtigung entkräftende Tatsachen und auf die Schwäche des Beweismittels der (vorgeblichen und nicht überprüfbaren) Aussagen des geheimen Zeugen in ihrer selbstbewusst vorgetragenen Verteidigungsrede, dass sie keine verbotenen Handlungen begangen sondern allein von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht habe und machte deutlich, dass sie nur deshalb angeklagt sei, weil sie für eine linke Nachrichtenagentur gearbeitet habe.
Aus unserer Sicht sind keinerlei tragfähige Beweise für die gegen Frau Tolu erhobenen Vorwürfe erkennbar. Deshalb ist für uns die Entscheidung des Gerichts, Frau Tolu weiter in Haft zu halten, in keiner Weise nachvollziehbar und nur als willkürlich zu werten.
Wir hatten Gelegenheit, Frau Tolu vor dem Prozesstermin am 10.Oktober in der Frauenhaftanstalt in Istanbul zu besuchen. Wir konnten uns mit Frau Tolu auf Deutsch unterhalten. Der Besuch war weder überwacht noch zeitlich begrenzt. Ihre größte Sorge gilt ihrem dreijährigen Kind gilt, das bis zu diesem Zeitpunkt mit ihr im Gefängnis lebte. Der Junge ist durch seine Erlebnisse bei der Wohnungsdurchsuchung und der Festnahme seiner Mutter durch schwerbewaffnete Polizeikräfte erheblich traumatisiert. Zugleich trafen wir auf eine ungebrochen mutige junge Frau, die für ihr Anliegen – die Verteidigung der Freiheit der Meinung und des Wortes – auch als Angeklagte in einem politischen Prozess unerschrocken eintritt.
Das Verfahren gegen Frau Tolu wird am 18. Dezember in Istanbul fortgeführt.