„EG Umfeld“ Ermittlerin mit faktischem Aussageverbot

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle

vom 21. Oktober 2014

 

„EG Umfeld“ Ermittlerin mit faktischem Aussageverbot

 

Vormittags hörten wir eine Zeugin, die Ex-Freundin des mutmaßlichen Schweizer Waffenlieferanten M. gewesen ist. M. war in der Schweiz in Amtshilfe vernommen worden. Dort hatte er zunächst jede Verstrickung in die Lieferung der Tatwaffe Ceska 83 bestritten, war aber von dem ebenfalls involvierten Schweizer Anton G. und durch Belege aus Waffenbüchern schwer belastet worden. Im Anschluss an seine Vernehmung kam M. auf einen Nebenklagevertreter zu und erzählte ihm eine andere Geschichte. Er wisse angeblich, dass seine Ex-Freundin und eine weitere Person aus Thüringen die Ceska 83 und weitere Schusswaffen beschafft und nach Deutschland verbracht haben sollen. Vor den Schweizer Behörden wolle er das jedoch nicht sagen. Nach Deutschland würde er für eine Aussage nur kommen, wenn sicher sei, dass er strafrechtlich nicht belangt werden würde.

 

Heute nun sagte die Ex-Freundin Sitta I. glaubhaft aus, dass die neue Geschichte von M. nicht stimme. Die Vernehmung musste allerdings unterbrochen werden, weil die Bundesanwaltschaft am Nachmittag mitteilte, dass sie eine neue Vernehmung der Zeugin aus dem Sommer dieses Jahres nicht zu den Verfahrensakten gereicht hat. Tatsächlich trägt die nunmehr bekannt gewordene Vernehmung das Aktenzeichen des Verfahrens „Gegen Unbekannt“. Die Akteneinsicht in diese Akten wird den Verfahrensbeteiligten trotz mehrerer Anträge seit Beginn der Ermittlungen bis heute konsequent verweigert.

 

Am Nachmittag wurde eine Polizeibeamtin des LKA Baden-Württemberg zu ihren Ermittlungen im Rahmen der sog. „EG-Umfeld“ vernommen werden. Diese hatte den Auftrag, Kontakte des Trios und Verflechtungen in die dortige Naziszene zu ermitteln. Diese Ermittlungen sollen Grundlage des vielfach kritisierten Berichts der EG-Umfeld gewesen sein, der im Grunde genommen in der öffentlich bekannten Version fast ausschließlich ein kurzer und handwerklich schlechter Auszug des Abschlussberichts des Bundestagsuntersuchungsausschusses ist. Darüber hinaus gehende Erkenntnisse sind Verschlusssache.

 

Und so begann auch die Vernehmung mit der Verlesung einer Aussagegenehmigung, die eher einer Aussageverweigerung gleicht. Die Zeugin dürfe ausschließlich zu den im öffentlich zugänglichen Bericht der EG-Umfeld dargestellten Erkenntnisse Angaben machen, darüber hinaus nicht. Das heißt, dass sämtliche Ermittlungen zu Verflechtungen in die Neonaziszene in Baden-Württemberg auch im Prozess nicht nachgefragt werden sollten. Im weiteren Verlauf war die Zeugin dann doch bereit, mitzuteilen, welche Zeugen auch für das BKA und die Bundesanwaltschaft vernommen worden sind. Es stellte sich heraus, dass entgegen des Berichts der EG-Umfeld zahlreiche Verflechtungen der organisierten Naziszene aus Jena und Chemnitz nach Ludwigsburg und Heilbronn existierten. Auch nach ihrem Untertauchen waren Mundlos und Zschäpe, teils auch Böhnhardt mehrfach bei einschlägig bekannten Rechtsextremisten in Baden-Württemberg zu Gast. Fotos darüber existieren. Zahlreiche Zeugen wurden dazu vernommen. Ein Zeuge, der gleichzeitig für den Verfassungsschutz Baden-Württemberg spitzelte, soll berichtet haben, dass Mundlos nach geeigneten Objekten für Raubüberfälle auch in Baden-Württemberg suchte. Keine dieser Vernehmungen gelangte zu unseren Akten. Sie verschwanden vielmehr in dem Verfahren „Gegen Unbekannt“, das wir nicht einsehen dürfen.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

„Die Bundesanwaltschaft blockiert den Prozess. Sie sortiert nach wie vor die Aktenbestandteile nach ihrem Gusto nach politisch brisanten und nicht nach juristisch belastbaren Gesichtspunkten. Die heute bekannt gewordenen zahlreichen Vernehmungen gehören eindeutig zu Sache. Sie belegen die Kontakte nach Baden-Württemberg, die ideologischen und kriminellen Verflechtungen dahin – immerhin also zu einem Mordtatort. Viele auch unser Fragen wären möglicherweise entbehrlich oder könnten wesentlich konzentrierter gestellt werden, wenn wir nicht so oft im Trüben fischen müssten. Das würde der Beschleunigung des Verfahrens dienen. Die Bundesnanwaltschaft verzögert damit das Verfahren und bricht erneut das vielfach gegebene Aufklärungsversprechen der Bundesregierung gegenüber den Nebenkägerinnen und Nebenklägern.“

 

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