Erstes §129-Verfahren gegen AntifaschistInnen in Dresden eingestellt

Erstes §129-Verfahren gegen AntifaschistInnen in Dresden eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft Dresden zeigt auch bei der Einstellung eine erhebliche Distanz zu Recht und Gesetz.

Das erste von einer Vielzahl von Verfahren gegen Dresdner AntifaschistInnen, denen Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen worden ist, wurde jetzt nach fast vier Jahren umfangreicher Ermittlungen eingestellt.
Zur Erinnerung: Seit 2010 wird durch die Staatsanwaltschaft Dresden gegen eine Vielzahl von Antifaschistinnen und Antifaschisten – vorwiegend aus Dresden – ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung geführt. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll es in Dresden eine so genannte „Sportgruppe“ geben, die gewalttätige Übergriffe auf Rechtsextremisten begangen haben soll.

In dieses komplexe Ermittlungsverfahren wurden alle möglichen Vorfälle, bei denen es zu Auseinandersetzungen zwischen AntifaschistInnen und Nazis oder zu Protesten gegen Neonazis in Dresden gekommen sein soll, zusammengeführt. Nach Ansicht der sächsischen Ermittlungsbehörden habe sich allein aus der Summe einiger unzusammenhängender Vorfälle schon ein Anfangsverdacht wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ergeben, obwohl den Behörden die Identität der Beteiligten in den überwiegenden Fällen gar nicht bekannt gewesen ist. Ihnen genügte die kurzschlüssige Überlegung „Wenn Leute gegen Nazis akti sind, dann muss das zusammenhängen und eine kriminelle Organisation dahinter stecken.“ Auch der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König, weder sportlich noch jugendlich, soll nach Ansicht der Ermittlungsbehörden Mitglied dieser „Sportgruppe“ sein.
Allein basierend auf Spekulationen und Vermutungen hat die Staatsanwaltschaft Dresden über mehrere Jahre hinweg mehr als ein Dutzend Dresdner Antifaschistinnen und Antifaschisten mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln überwacht und ausgeforscht. Es wurden etliche Telefonanschlüsse überwacht, Personen und Orte observiert, Wohnungen durchsucht. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde auch die Funkzellenabfrage angeordnet, mit der die Handydaten aller TeilnehmerInnen der Proteste gegen den Neonaziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden erhoben worden sind. Diese Anordnung wurde im Nachhinein vom Landgericht Dresden für rechtswidrig erklärt. Selbst vor der Zusammenarbeit mit stadtbekannten und einschlägig verurteilten Neonazis, deren durch nichts belegte Behauptungen über Dresdner AntifaschistInnen Eingang in die Ermittlungsakten fand, schreckten die sächsischen Behörden nicht zurück.


Rechtsanwalt Peer Stolle, der einen der Betroffenen vertritt, erklärt dazu: „Dieses Verfahren zeigt mit aller Deutlichkeit, dass es sich bei dem § 129 StGB um einen reinen Ermittlungsparagraphen handelt, der das Ziel hat, politische Szenen auszuforschen und ihre Arbeit zu behindern. Schon Spekulationen und Behauptungen reichen aus, um schwerwiegende Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen. Das Vorgehen der Dresdner Staatsanwaltschaft bestätigt mal wieder die Notwendigkeit der Abschaffung dieses Paragraphen.“

Nachdem gegen den ermittlungsführenden Staatsanwalt und den Abteilungsleiter mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden erhoben worden sind, wurde nunmehr das gegen den Mandanten von Rechtsanwalt Stolle geführte Ermittlungsverfahren eingestellt. Bezeichnenderweise hat die Staatsanwaltschaft Dresden das Verfahren nicht mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, obwohl lediglich die Teilnahme des Betroffenen an Protesten gegen eine Nazi-Veranstaltung, in dessen Rahmen es zu keinerlei Straftaten gekommen war, festgestellt worden ist, sondern wegen angeblicher geringer Schuld. Eine solche Einstellung dient eigentlich der Verfahrenserledigung in Fällen von Bagatellkriminalität. Mit der Auffassung, dass die Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung auf die gleiche Stufe zu stellen wäre wie Ladendiebstahl, steht die Staatsanwaltschaft Dresden wohl alleine. Diese Begründung steht auch im krassen Gegensatz zu dem erheblichen Ermittlungsaufwand, den die sächsischen Ermittlungsbehörden an den Tag gelegt haben und der zu keinerlei Bestätigung der imaginären Vereinigung geführt hat. Das die Ermittlungsergebnisse nicht einmal dazu reichen, die Staatsanwaltschaft zur Anklage des vormals als Rädelsführer der angeblichen kriminellen Vereinigung Beschuldigten zu bewegen, ist bemerkenswert. Hier haben die Dresdner Behörden ein Zeichen gesetzt, das darauf hindeutet, dass das komplette „Sportgruppen“-Verfahren vorrangig dem Ausspähen antifaschistisch engagierter Personen dient und tatsächliche Strafverfolgung nur eine Nebenrolle spielt.

Würde sich die Dresdner Staatsanwaltschaft an Recht und Gesetz halten, hätte sie das Verfahren wegen mangelnden hinreichenden Tatverdachts einstellen müssen. Das wäre die einzige richtige Konsequenz gewesen. Dass sie das nicht getan hat, zeigt ein weiteres Mal, dass die Staatsanwaltschaft Dresden scheinbar rechtliche Vorgaben für sich als nicht bindend ansieht.


Rechtsanwalt Peer Stolle erklärt weiterhin dazu: „Dadurch, dass die Staatsanwaltschaft Dresden das Verfahren wegen angeblicher geringer Schuld eingestellt hat, führt sie den gegen meinen Mandanten erhobenen Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung ad absurdum. Mit dieser Vorgehensweise will sie vermeiden, die Haltlosigkeit der von ihr erhobenen Vorwürfe einzugestehen. Durch diese rechtswidrige Vorgehensweise schneidet sie meinem Mandanten ihm zustehende Entschädigungsansprüche ab. Dies zeigt zum wiederholten Mal, dass die sächsischen Ermittlungsbehörden bei der Verfolgung von Antifaschistinnen und Antifaschisten scheinbar zu jeder Verletzung von Recht und Gesetz bereit sind.“

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