EuG: FRONTEX muss keine Auskunft über eingesetzte Schiffe im Mittelmeer geben
Am 27.11.2019 hat das Gericht der Europäischen Union in erster Instanz entschieden, dass die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache FRONTEX keine Auskunft über Name, Typ und Flagge von Schiffen geben muss, die im Zeitraum Juni-August 2017 im Rahmen der Operation Triton 2017 eingesetzt wurden (EuG, Urteil vom 27.11.2019 – Rs. T-31/18 – Luisa Izuzquiza und Arne Semsrott v. Frontex). Die Kläger sind Journalisten und Aktivisten der NGO „Frag den Staat“. Sie werden von den dka Rechtsanwälten Sönke Hilbrans und Dr. Raphaël Callsen vertreten, die in der Anhörung in Luxemburg von Jason Pobjoy, Barrister in London, unterstützt wurden.
Die Kläger stützten ihr Auskunftsverlangen auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, eine Art Informationsfreiheitsgesetz der EU. Ein Zugang zu Dokumenten darf nur ausnahmsweise verweigert werden. Frontex hatte sich auf eine solche Ausnahme berufen und argumentiert, dass die Veröffentlichung von Name, Flagge und Typ von Schiffen, selbst für in der Vergangenheit liegende Zeiträume, die öffentliche Sicherheit gefährden würde. Kriminelle könnten hierdurch Rückschlüsse auf Bewegungen von Schiffen ziehen. Wie solche simplen Angaben eine Gefährdung darstellen sollten, obwohl die Behörde sie selbst regelmäßig auf Twitter veröffentlicht, konnten und können die Kläger nicht nachvollziehen und erhoben Klage.
Nach dem EU-Recht müssen Argumente der Behörde vom Gericht kritisch überprüft werden. Dies vermisst man leider im Urteil. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso das Gericht der Argumentation der Behörde folgt, obwohl diese selbst in der Anhörung erklärt hatte, dass das automatische Schiffsindentifikationssystem AIS – das über spezielle Internetseiten eine Verfolgung von Schiffsbewegungen ermöglichen könnte – während einer Mission grundsätzlich ausgeschaltet sei. Selbst Auskunft nur über Flagge und Schiffstyp dürfe Frontex nach der Auffassung des Gerichtes verweigern, weil es „klar“ sei, dass dies für die Beobachtung von Schiffen mit „low-tech solutions“ „nützlich“ sei. Dies ist dem Gericht gerade einmal einen Satz wert. Überzeugend ist dieses Urteil insoweit nicht. Offenbar verkennt das Gericht den rechtlichen Prüfungsmaßstab. Es übernimmt im Urteil letztlich Spekulationen von FRONTEX, dass selbst simples öffentliches Wissen über seine Einsätze von Nachteil wäre. Das Gericht bleibt auch eine Erklärung dafür schuldig, wieso nach Beendigung der Mission Triton 2017 eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen werden kann, obwohl es selbst betont, dass Informationen über vergangene Missionen keine Rückschlüsse auf gegenwärtige Missionen zulassen. Die Kläger erwägen, Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof einzulegen.
Weitere Informationen:
https://fragdenstaat.de/blog/2019/11/27/urteil-frontex-luxemburg-transparenz/
https://taz.de/Gerichtsurteil-zu-NGO-Klage/!5644843/
https://netzpolitik.org/2019/eu-grenzbehoerde-muss-keine-auskunft-ueber-schiffe-im-mittelmeer-geben/