Freispruch wegen Protest gegen den "1000-Kreuze-Marsch"

Freispruch wegen Protest gegen den "1000-Kreuze-Marsch"

 

Wie jedes Jahr demonstrierten auch im September 2014 eine Vielzahl von Menschen gegen den alljährlichen Aufmarsch von AbtreibungsgegnerInnen und religiösen FundamentalistInnen in Berlin. Gegen zwei Aktivistinnen, die kritisch an der Abschlusskundgebung des "1000-Kreuze-Marsches" teilgenommen hatten, führte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Versammlungsstörung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Sie wurden jetzt vom Amtsgericht Tiergarten freigesprochen.

Eine Abschlusskundgebung auf einer großen Bühne mit Verstärkeranlage und Boxen am Rande des Lustgartens. Etwas weiter weg auf der Freitreppe zum Museum am Rande des eigentlichen Kundgebungsplatzes ca. zehn Aktivistinnen, die ein Plakat entrollen und - ohne Megaphon - rufen "Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat". Nach kurzer Zeit kommt eine Gruppe von Polizeibeamten, greift ohne vorherige Ansage von hinten an das Plakat und zieht die Aktivistinnen weg. Die beiden späteren Angeklagten halten das Plakat weiter fest, gehen aber mit den Polizeibeamten mit. Die Kundgebung lief währenddessen weiter.

In dem Strafbefehl, der auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Amtsgericht Tiergarten erlassen wurde, wird den beiden Aktivistinnen vorgeworfen, dass sie eine Versammlung gesprengt hätten, indem sie die Bühne gestürmt, dort ein Transparent entrollt, Parolen gerufen und dadurch eine Weiterführung der Kundgebung zumindest zeitweise verhindert hätten. Bei ihrem Abführen hätten sie permanent und ruckartig an dem Transparent gezogen und ihre Füsse in den Steinboden gestemmt, so dass die Durchführung der polizeilichen Maßnahmen enorm erschwert worden wäre, was als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gewertet werden müsste.

In der Hauptverhandlung wiederholten die Beamten ihre Sachverhaltsdarstellungen. Nur dadurch, dass die Verteidigung nach einer You-Tube-Recherche Videomaterial von der Situation in das Verfahren einführen konnte, aus dem sich ergab, dass die Polizeibeamten die Unwahrheit gesagt hatten, da es weder eine grobe Störung gab noch Widerstandshandlungen seitens der Angeklagten, konnten die Aktivistinnen freigesprochen werden.

Rechtsanwalt Stolle, der eine der Aktivistinnen verteidigt, meint dazu: "Dieses Verfahren zeigt mal wieder die zwingende Notwendigkeit, Aussagen von PolizeizeugInnen kritisch zu hinterfragen. Ohne objektives Beweismaterial wären zwei Aktivistinnen zu Unrecht verurteilt worden. PolizistInnen sind keine neutralen ZeugInnen; ihre Aussagen oft interessengeleitet. Diese Erkenntnis sollte sich endlich bei Staatsanwaltschaften und Strafgerichten durchsetzen."

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