Gab es 1998 einen V-Mann (oder eine V-Frau) im innersten Kreis der Kameradschaft Jena? Wurden Erkenntnisse, die zur frühzeitigen Verhaftung des Trios hätten führen können, vom Verfassungsschutz zurück gehalten, um Quellen zu schützen?

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 4. September 2014

 

Gab es 1998 einen V-Mann (oder eine V-Frau) im innersten Kreis der Kameradschaft Jena? Wurden Erkenntnisse, die zur frühzeitigen Verhaftung des Trios hätten führen können, vom Verfassungsschutz zurück gehalten, um Quellen zu schützen?

 

Heute war zunächst der Staatsschützer KHK Dressler als Zeuge geladen. Er spielte zunächst bei den Ermittlungen hinsichtlich von Bomben bzw. Bombenattrappen, die in Jena vor dem Abtauchen des Trios unter anderem im Stadion und auf dem Theatervorplatz abgelegt worden waren, als Leiter der „EG TEX“ eine entscheidende Rolle. Dringend tatverdächtig waren damals u.a. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. In einem roten Koffer mit Hakenkreuzen, der vor dem Theater in Jena von spielenden Kindern gefunden wurde, fand sich zündfähiges TNT. Es gab zu der Zeit, so der Zeuge, intensive Aktivitäten der rechtsextremen Szene in Thüringen. Dressler versuchte dann mit einem MEK Böhnhardt zu observieren. Weil angeblich zu wenig Kräfte vorhanden waren, fand die ursprünglich für einen Monat geplante Observation nur an drei Tagen – vermeintlich ergebnislos – statt. Stattdessen fragte Dressler beim Thüringer Verfassungsschutz an und bat um „Amtshilfe“. Dieser wiederum führte spätestens im November 1997 tatsächlich eine umfangreiche Observation durchführte. Im Rahmen dieser Observation sei man auf die Garage an der Kläranlage gekommen, in der die Bombenwerkstatt gefunden worden wäre. Dabei konnte der Zeuge nicht erklären, wie die Observation auf dem abgeschlossenen, umzäunten und übersichtlichen Gelände der Garagen durch den Verfassungsschutz durchgeführt worden sein soll, ohne aufzufliegen. Ebenso wenig verständlich ist, warum angeblich reine Observationsergebnisse als geheim eingestuft wurden.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

„Das Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen hat Erkenntnisse über eine aktiv genutzte Bombenwerkstatt, in der auch TNT lagerte, als Geheim eingestuft und damit Ermittlungen sowie die Festnahme der Verdächtigen massiv behindert. Ein solches Vorgehen legt nahe, dass eine Quelle geschützt werden sollte. Denn reine Observationsergebnisse hätten einen derartigen Geheimhaltungsgrad nicht erfordert. Wenn 1998 ein V-Mann oder eine V-Frau von der Garage und dessen Inhalt wusste und diese Erkenntnisse nicht weitergeben wurden, würde das in das immer wieder erkennbare Schema „Quellenschutz vor Strafverfolgung“ passen. Morde hätten verhindert werden können.“

 

Die Durchsuchung fand erst am 26. Januar 1998 – Monate nachdem Dressler wusste, dass dort vermutlich Bomben gebaut werden – statt. Hintergrund war, dass der Verfassungsschutz seine Erkenntnisse nicht offiziell an die Polizei weitergeben wollte und Dressler davon ausging, dass er ohne „verwertbare Mitteilungen“ des Verfassungsschutzes keinen Durchsuchungsbeschluss bekommen würde. Tatsächlich gab das Landesamt bis zur Durchsuchung keine nicht als geheim eingestufte Mitteilung. Im Januar 1998 wurden dennoch Durchsuchungsbeschlüsse ausgestellt. Das hätte dann allerdings schon Anfang Dezember passieren können, denn die Erkenntnislage war keine andere.

Bei der Durchsuchung der Garage wurden neben Propagandamaterial und vielen persönlichen Niederschriften – wie etwa der so genannten Adressliste mit Nazikontakten in ganz Deutschland – Rohrbomben mit TNT aufgefunden. Diese wurden nicht etwa vorsichtig entschärft und umfangreich kriminaltechnisch untersucht, sondern schlicht gesprengt. Während der Durchsuchung der Garage fuhr – vor den Augen der Beamten – Uwe Böhnhardt einfach mit dem Auto davon. Erst einen Tag später wurden Haftbefehle ausgestellt. Dressler konnte dafür nun den Thüringer Verfassungsschutz gewinnen und die Ergebnisse der Observation im Geheimhaltungsgrad herabstufen, so die Erkenntnisse seiner Meinung erst jetzt verwendet werden dürften.

 

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