Gewährung bezahlter Freistellung zur Kinderbetreuung während des Lockdowns durch ein Bundesministerium mitbestimmungspflichtig

Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr waren Kitas und Schulen geschlossen. Die Kinder mussten zuhause betreut und „homeschooling“ organisiert werden. Ein Bundesministerium erließ daher ein Rundschreiben und gewährte Mitarbeiter*innen, die Kinder aufgrund der Schließungen unter 12 Jahren zuhause betreuten, zehn zusätzliche freie Tage unter Fortzahlung der Vergütung. Die nachgeordneten Bundesbehörden setzten dieses Rundschreiben in ihren Behörden um. Die Personalvertretungen wurden nicht beteiligt.
 
Der Hauptpersonalrat einer beim Bundesministerium gebildeten nachgeordneten obersten Bundesbehörden begehrte die Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens, um auf die Voraussetzungen der Gewährung dieser bezahlten Freistellung Einfluss nehmen zu können. Dies wurde ihm versagt.
 
Die dka Rechtsanwälte leiteten für den Hauptpersonalrat daher ein gerichtliches Verfahren gegen den zuständigen Bundesminister ein. Auf Antrag des Hauptpersonalrats hat das Verwaltungsgericht Berlin nun festgestellt, dass bei der Gewährung dieser bezahlten Freistellung ein Mitbestimmungsrecht des Hauptpersonalrats nach § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG besteht. Die Regelung dient der tatsächlichen Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Das Mitbestimmungsrecht dient auch der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit. Bei solchen Maßnahmen hat der Hauptpersonalrat über den engen Wortlaut der Norm hinaus mitzubestimmen.
 
Der den Hauptpersonalrat vertretende Fachanwalt für Verwaltungs- und Arbeitsrecht Baunack dazu: „Die Entscheidung ist sehr zu begrüßen. Das Mitbestimmungsrecht aus § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG soll Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Während des Lockdowns waren vorrangig Frauen betroffen, die zur Kinderbetreuung zuhause bleiben mussten. Hier Milderung zu schaffen, ist Auftrag der Personalvertretungen. Dies ermöglicht die wegweisende neue Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin.“
 
Dem Bundesministerium steht die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht offen.
 
VG Berlin v. 17.11.2020 – VG 72 K 10/20.PVB

 

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