"Ich habe zu diesem Sachverhalt nichts wahrgenommen."

Presseerklärung der Nebenklägervertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle v. 28. April 2014

"Ich habe zu diesem Sachverhalt nichts wahrgenommen."
Am heutigen Hauptverhandlungstag wurde der Zeuge Enrico Th. vernommen, der an der Beschaffung der Ceska, mit der neun migrantische Kleingewerbetreibende ermordet worden sind, beteiligt gewesen sein soll. Der Zeuge, der in Begleitung eines anwaltlichen Beistandes erschienen ist, wich jeder Frage des Vorsitzenden aus.

Es war eine sehr zähe Vernehmung des Zeugen, die die Verfahrensbeteiligten und die Zuschauer heute ertragen mussten. "Das ist für mich alles nicht plausibel.", "Ich kann mich nicht wirklich erinnern daran.", "Ich habe zu diesem Sachverhalt nichts wahrgenommen." Mit diesen Worten strapazierte der Zeuge die Geduld der Zuhörer im Saal über mehrere Stunden. Der Zeuge soll der Mittelsmann zwischen dem Zeugen Hans-Ulrich M., der die Waffe aus der Schweiz nach Jena gebracht haben soll und schön öfter wegen Waffenhandel aufgefallen sein soll, und Jürgen L., der die Waffe wiederum an Andreas Sch., der sie weiter an die Angeklagten Ralf Wohlleben und Carsten Sch. verkauft haben soll, gewesen sein.

Der Zeuge stritt ab, jemals was mit Waffen im Allgemeinen und mit dem konkreten Waffengeschäft im Besonderen zu tun gehabt zu haben. Zwar habe er sich mit dem Zeugen Hans-Ulrich M. mal über die auf dem Fahndungsplakat abgebildete Waffe unterhalten - das war wohl so 2009 -, der Zeuge Hans-Ulrich M. habe ihm auch gesagt, deswegen habe es mal Hausdurchsuchungen in der Schweiz gegeben; an weitere Einzelheiten des Gespräches könne er sich nicht erinnern. Auch als nach dem Auffliegen des NSU Hausdurchsuchungen bei dem Zeugen Enrico Th. und bei seinen Kumpels Hans-Ulrich M. und Jürgen L. stattgefunden hatten, habe er sich nicht näher über den konkreten Tatvorwurf mit seinen Kumpels unterhalten. Selbst als er mit Hans-Ulrich M. im Februar 2014 ca. drei Wochen im Urlaub gewesen ist, will sich der Zeuge nicht über das Verfahren unterhalten haben. Die Ermahnungen und Belehrungen zeitigten bei dem Zeugen, der schon einmal wegen Falschaussage verurteilt worden ist, keinerlei Wirkungen.

Auch als von dem Vorsitzenden ihm Aussagen, die er 2012 gegenüber der Bundesanwaltschaft gemacht hat, vorgehalten wurden, wonach er Zusammenhänge zwischen seiner Bekanntschaft zu Uwe Böhnhardt, dem Zeugen Hans-Ulrich M. und dem hiesigen Verfahren gezogen hat und mit reichlich Bargeld zur Vernehmung erschienen ist, weil er damit gerechnet habe, in Untersuchungshaft zu kommen, tat der Zeuge so, als ob ihm das alles nichts sage.

Die Vernehmung wurde dann unterbrochen. Der Zeuge muss noch mal zur Vernehmung nach München kommen.

Anschließend wurden seitens der Nebenklage noch Erklärungen zu den Vernehmungen der Zeugin Jana J. und der Zeugin Mandy St. abgegeben. In Bezug auf die Vernehmung von Jana J. wurde vor allem die ideologische Grundhaltung in der damaligen Nazi-Szene Jenas, die in der Tradition des historischen Nationalsozialismus stand, betont. Die Vernehmung von Mandy St. hat ergeben, dass sie ihre Unterstützungsleistung für das Trio nach dessen Abtauchen nicht als Privatperson erbracht hat, sondern als Teil des Blood&Honour-Netzwerkes und der 88er-Gruppe aus Chemnitz.

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