Juliane W.: „Pogromoly“ spielen, wie Mensch-ärger-dich-nicht, ein „normaler“ Spielabend mit dem Trio; Tino Brandt, die „wichtigste Quelle“ des Thüringer Verfassungschutzes

Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 27.03.2014

Juliane W.: „Pogromoly“ spielen, wie Mensch-ärger-dich-nicht, ein „normaler“ Spielabend mit dem Trio
Tino Brandt, die „wichtigste Quelle“ des Thüringer Verfassungschutzes erhielt über 7 Jahre bei wöchentlichen Treffs jeweils etwa 1500 DM und sollte seine Führungsposition im „Thüringer Heimatschutz“ nutzen

Der Verhandlungstag begann mit der Fortsetzung der Vernehmung der Zeugin Juliane W. vom gestrigen Tage. Sie berichtete, dass sie vor ihrer Vernehmung bei der Polizei Kontakt mit André K. über Facebook hatte. K. habe ihr geschrieben, dass sie wissen müsse, was in den Akten des Verfassungsschutzes stehe. Allerdings erklärte sie wiedereinmal gebetsmühlenartig, dass sie sich an diese Kommunikation eigentlich gar nicht so richtig erinnern könne und jetzt mit Fragen doch auch endlich mal gut sei. Auf Vorhalt, dass ein Verfassungsschutzmitarbeiter ausgesagt hatte, dass sie beauftragt war, das Kontakthandy bzw. die zugehörige SIM Karte zum Trio von Wohlleben zu besorgen, bestritt die Zeugin derartige Aufträge und Gespräche kategorisch. Auch an einzelne Gespräche mit André K. oder mit der Mutter von Mundlos, die detailiert aktenkundig sind, wollte sich die Zeugin nicht erinnern. Sie gab auf Nachfrage an, dass die Stimmung, als sie damals mit Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe und Wohlleben das Pogromolyspiel gespielt habe, ganz normal gewesen sei, wie bei Mensch-äger-dich-nicht oder Monopoly.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:
“Ganz „normal“ spielten Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, Wohlleben und Juliane W. das menschenverachtende und den Holocaust verherrlichende Spiel Pogromoly, wie „Mensch-ärger-dich-nicht“. Die Zeugin hat schnippisch bis frech versucht, insbesondere die Nebenklage vorzuführen. Gelungen ist ihr das nicht. Denn durch eine konzentrierte und mit vielen Vorhalten versehene Vernehmung, konnten trotz einer sehr langwierigen Befragung, doch wichtige und insbesondere für Wohlleben belastende Tatsachen, aufgedeckt werden. Das aufgesetzte Selbstmitleid der Zeugin war angesichts von hier verhandelten 10 Morden und mindestens zwei Sprengstoffanschlägen nicht zu ertragen.“

Am Nachmittag wurde Norbert W. vernommen, der V-Mann Führer von Tino Brandt und anderen Informanten im Umfeld des NSU gewesen ist. Später war er dann auch als Zielfahnder des LKA Thüringen eingesetzt. Von 1993 – 2001 war er u.a. beim Verfassungsschutz für die Anwerbung von V-Personen zuständig. Insbesondere war sein Arbeitsbereich ab 1998 im Bereich Rechtsextremismus. Nachdem erste Flyer der „Anti-Antifa Thüringen“ auftauchten, suchte man nach den Urhebern. Zudem war aktueller Anlass der Wirbel über die Hess-Aufmärsche. So sei man auf Tino Brandt gekommen, der für finanzielle Anreize zur Mitarbeit bereit war und auch alle Probeaufträge akurat ausgeführt habe. Er habe Brandt dann wieder ab 1998 geführt. Dieser sei sehr kooperativ gewesen, habe jeweils umfangreich und wahrheitsgemäß berichtet. Er habe ihn deswegen 1998 als so genannten B2 Quelle auf einer Stufe A-F eingestuft. Telefonisch habe man ihn rund um die Uhr erreicht und ansonsten mindestens einmal pro Woche getroffen. Es ging um die Tätigkeiten des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS) und an zweiter Stelle um die Suche nach dem Trio. Die Berichte seien über den „normalen Dienstweg“ in die Auswertung gegangen. Brandt's Decknamen seien „Otto“ bzw. „2045“ und später auch „Oskar“ gewesen. Das entscheidende „Führungsmittel“ sei Geld gewesen, dafür habe Brandt auch 24 Stunden am Tag gearbeitet. 800-1000 DM pro Treffen waren ein normales Salär. Hinzu kam Geld für Aufwenden, wie Telefon- und Fahrtkosten, insgesamt ca. 1.500 DM bis zum Jahr 2001.

Brandt sollte Kontakt zu Wohlleben und André K. halten, um über diese ans Trio zu kommen. Die Behördenleitung habe gegen das Gesetz entschieden, dass man sich an der Zielfahndung des LKA nach dem Trio „beteiligen“ solle. Die Szene habe, was das Trio betrifft, gemauert, so dass es selbst für Brandt schwierig gewesen sei, an Informationen dazu zu kommen. Man sei auch vorsichtig gewesen, damit er nicht auffliegt. Es seien Hinweise zum NPD-Mann Thorsten Heise und Holger G. in Niedersachen gekommen. Dabei wäre es um eine mögliche Flucht der Drei ins Ausland gegangen. Diese Informationen habe man an den Niedersächsischen Verfassungsschutz weitergeleitet. Ansprechpartner für das Trio sei nach 1998 hauptsächlich Wohlleben gewesen, da André K. sehr unzuverlässig gewesen wäre. Ihm wäre Geld zur Passbeschaffung überlassen worden, was dann weg gewesen sei. Das habe das Misstrauen noch erhöht.

Der THS wäre ein looser Verband von Kameradschaften gewesen. Diese seinen jeweils autark gewesen und seien bei gemeinsamen Aktionen als THS aufgetreten. Tino Brandt habe die Mittlerrolle übernommen, die Interessen zusammengeführt und gemeinsame Aktionen koordiniert.

Juliane W., die Freundin von Wohlleben, sei in gemeinsamer Aktion mit der Zielfahndung befragt und unter „Jule“ geführt worden. Dabei sei auch Geld übergeben worden. Die Erwartungen habe sie nicht bestätigen können, da es dem Verfassungsschutz über die Kommunikationswege von Wohlleben zu dem Trio ging und sie darüber angab, nichts zu wissen. Mit ihr habe es circa 3-6 Treffen gegeben. Es sei auch darum gegangen, welche Handy's und SIM Karten Wohlleben benutzte. Es seien circa 200-300 DM pro Treff übergeben worden.

Ein weiterer Informant sei Andreas R. gewesen, der unter „Alex“ geführt wurde. Dieser habe abgestritten, dass Fluchtfahrzeug, das Auto von Wohlleben, nach der Flucht zurückgeführt zu haben. R. sei Werbungskandidat für den Verfassungsschutz gewesen. Im Gefängnis wäre er circa 1996 angesprochen worden. Man habe versucht, ihn in der Kameradschaft Saalfeld „aktiv werden zu lassen“. Er sei aber unzuverlässig gewesen, habe nicht regelmäßig über die Aktivitäten der Kameradschaft berichtet. Es habe in etwa monatliche Treffen mit Prämien mit etwa 200-400 DM gegeben, um ihn „anzufüttern“. 1998 habe man die Zusammenarbeit beendet.

Die Zusammenarbeit mit der Zielfahndung wäre auf Anweisung der Präsidenten von LKA und Verfassungsschutz erfolgt und wäre eigentlich gesetzlich unzulässig gewesen. Vom Verfassungschutz wurden die Informationen an der Grenze des Quellenschutzes weitergeleitet. Die Zielfahndung habe hingegen dem Verfassungsschutz gegenüber die Erkenntniss aus über 40 Telefonüberwachungen verschwiegen. Er habe auch mal eine Meldung aus Brandenburg von Jan W. mitbekommen, dass durch das Trio gezielt nach Waffen gesucht werde. Diese Meldung habe man allerdings in Thüringen nicht bestätigen können. André K. und Mario B. aus dem Umfeld des Trios seien jedenfalls durch den Thüringer Verfassungsschutz nie angesprochen worden.

Er habe zusammen mit dem Referatsleiter zwei Mal Kontakt mit der Familie Böhnhardt gehabt. Es sei um die freiwillige Aufgabe des Trios und einen entsprechenden Deal mit der Staatsanwaltschaft gegangen. Dabei seien sie vom ersten bis zum letzten Gespräch angelogen worden. Es sei auch ein Anwalt ins Spiel gekommen. Irgendwann habe man den Kontakt abgebrochen.

Irgendwann sei von der Behördenleitung angeordnet worden, dass Brandt „Knall auf Fall“ abgeschaltet werden müsse. Dagegen habe sich der Zeuge gewehrt, weil er eine „Nachbetreuung“ für zwinged hielt. Deswegen wurde ihm die V-Mannführung auch zeitweise entzogen. Brandt sei eigentlich die „wichtigste Quelle“ des Amtes gewesen. Erst später habe es dann die Anweisung gegeben, dass Führungskräfte in der Szene nicht mehr geführt werden dürften. Es habe im Amt auch Streitigkeiten über den Umgang mit Brandt gegeben. So sei auch ohne Wissen des Zeugen W. eine Observation eines „Nachsorgetreffens“ mit ihm erfolgt.

Ein weiterer Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz in Thüringen, Jürgen Z., erklärte, dass er zeitweise für die Führung von Brandt eingesprungen war. Er habe ihn häufiger zur Abschöpfung von Informationen getroffen. Er selbst habe aber eigene V-Leute im Bereich rechts geführt.

Beide Verfassungsschutzmitarbeiter wurden lediglich kurz anvernommen. Fragen konnten noch nicht gestellt werden. Sie werden dafür erneut geladen, wenn Tino Brandt als Zeuge vernommen worden ist.

Am Ende des Verhandlungstages widersprach die Verteidigung von Wohlleben der Verwertung der Aussage des BKA-Beamten, der Andreas Sch. vernommen hatte. Andreas Sch. hat insbesondere Wohlleben massiv hinsichtlich der Beschaffung der Tatwaffe Ceska 83 belastet. Nun meint Rechtsanwalt Klemke, dass Andreas Sch. als Beschuldigter und nicht als Zeuge hätte vernommen werden müssen, deswegen eine Täschung vorliege und seine Aussage gem. § 136a StPO nicht verwertet werden darf.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:
“Der Widerspruch der Verteidigung von Wohlleben gegen die Verwertung der Aussage des Belastungszeugen Andreas Sch. ist aussichtslos. Andreas Sch. wurde zu Recht in unserem Verfahren, welches sich nicht gegen ihn richtete, als Zeuge vernommen und umfassend nach § 55 StPO über sein Recht, als Zeuge schweigen zu können, wenn er sich selbst belasten könnte, belehrt. Worüber Andreas Sch. also überhaupt getäuscht worden sein soll, blieb offen. Eine nicht vollständige Belehrung würde im Übrigen nach der vom Bundesgerichtshofs vertretenen Rechtskreistheorie allenfalls in einem gesonderten Verfahren gegen Andreas Sch. selbst die Frage der Verwertbarkeit aufwerfen, nicht hingegen in der hier verhandelten Sache.“

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