Keine Abweichung vom Arbeitszeitgesetz ohne Mitbestimmung des Betriebsrats
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 7. April 2020 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit eine Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitsgesetz infolge der Covid-19-Epidemie erlassen. Rechtsgrundlage ist der neu ins Arbeitszeitgesetz eingefügte § 14 Abs. 4 ArbZG.
Eckpunkte dieser Verordnung sind wesentliche Einschränkungen der Gesundheitsschutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes:
- Die Höchstarbeitszeit darf in den sog. systemrelevanten Branchen nun auf bis zu 60 Stunden pro Woche ausgeweitet werden, in „dringenden Fällen“ sogar darüber hinaus.
- Die in vorgeschriebene Ruhezeit darf um bis zu 2 Stunden verkürzt werden.
- Außerdem dürfen Beschäftigte unter bestimmten Voraussetzungen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden.
Die Verordnung ist befristet bis zum 30. Juni 2020. Ein Abdruck inklusive einer Begründung findet sich auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:
In der Verordnungsbegründung betont das Ministerium, dass diese Maßnahmen „negative Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer/innen haben können“ und verlangt daher, dass Arbeitgeber nur als letztes Mittel auf die neuen Gestaltungsmöglichkeiten zurückgreifen. Außerdem stellt das Ministerium ausdrücklich klar:
„Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats oder des Personalrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder bleiben unberührt.“
Für Betriebsräte (Informationen für Personalräte folgen) heißt das konkret: Festlegungen zur Lage der Arbeitszeit sowie zur vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit unterliegen weiter dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Dies betrifft Regelungen
- zur Verteilung der Arbeitszeit auf die Woche,
- zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und somit zur Dauer der täglichen Arbeitszeit (BAG v. 28. September 1988 - 1 ABR 41/87)
- sowie zur vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Wochenarbeitszeit.
- Damit sind mittelbar auch Regelungen zur Dauer der Ruhezeiten von der Mitbestimmung des Betriebsrats umfasst.
Außerdem bleiben geltende Betriebsvereinbarungen natürlich unverändert in Kraft.
Soll von den bisherig geltenden betrieblichen Arbeitszeitregeln abgewichen werden, muss daher zunächst eine Einigung mit dem Betriebsrat erzielt werden. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Betriebsrat zur Zustimmung zu bewegen, muss er die Einigungsstelle anrufen, wenn er an seinen Plänen festhalten will.
Eine einseitige Ausweitung der Arbeitszeiten ohne Zustimmung des Betriebsrats ist rechtswidrig und muss unterlassen werden. Daran hat auch die Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nichts geändert.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Sicherung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zum Schutz der Gesundheit Ihrer Kolleginnen und Kollegen und stehen auch kurzfristig für Beratungsgespräche zur Verfügung – natürlich auch telefonisch oder per Videokonferenz.