"Mein Bruder war ein bisschen rechtsradikal": Jan Bönhardt sagt aus.

Presseerklärung der Nebenklagervertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle
vom 09. Juli 2014

"Mein Bruder war ein bisschen rechtsradikal": Jan Bönhardt sagt aus.

Am heutigen Tag war zunächst der Zeuge Matthias D. geladen. Der bullige Zeuge mit Glatze, sagte nur in tiefem Sächsisch, dass er gelernter Fleischer sei und wegen den laufenden Ermittlungen gegen ihn selbst von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch mache.

Bei der Polizei hatte er allerdings Angaben gemacht, die nun über den Vernehmungsbeamten eingeführt werden.

Matthias D. hatte sich sofort nach dem Brandt in der Frühlingsstraße, bevor die Selbstenttarnung des NSU bekannt wurde, einen Anwalt genommen, der mit ihm bei der Vernehmung am 6.11.2011 erschien. Der Angeklagte André E. habe D. angerufen und erzählt, dass es eine Explosion in der Frühlingsstraße 26 gegeben habe, in der Wohnung, die offiziell er angemietet hatte.

D. hatte seinen Namen und seine Identität für das Trio zur Verfügung gestellt, unter anderem zwei Mietverträge, zuletzt für die Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau, unterschrieben. Der Angeklagte André E. habe ihn dazu überredet. Er kannte die Drei unter den Namen Gerri, Max und Liese. Er habe auch gelegentlich in den Wohnungen übernachtet. Sie hätten kein Telefon gehabt, weshalb er bei Fragen regelmäßig von einer Telefonzelle angerufen worden wäre.
Der Polizeibeamte aus Zwickau erklärte, er habe zwar selbst bei der Vernehmung am 6.11.2011 keine Ahnung von den konkreten Tatvorwürfen gehabt, hielt aber die Angaben von D. für glaubhaft.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

"Bei der sächsischen Polizei hat man offensichtlich viel Vertrauen in die Angaben von Neonazis. Eine Vorbereitung der Vernehmung, eine Aktenkenntnis des Befragenden oder gar kritische Nachfragen sucht man hier vergebens. Stattdessen wird einem Zeugen, der völlig unglaubwürdig auftritt und konspiratives Verhalten der Drei Untergetauchten als scheinbar normal und unauffällig schildert ohne Nachfrage geglaubt."

Am Nachmittag sagte der Bruder von Uwe Böhnhardt, Jan Böhnhardt, aus. Er habe zunächst einen "Super Kontakt" zu seinem Bruder gehabt, bis er ausgezogen ist. Später habe es dann auch Probleme in der Schule gegeben. Er sei irgendwann in die "rechte Szene rein gerutscht". Er habe aber gedacht, dass das schon nicht so schlimm werde. Für ihn sei er weiterhin der Bruder gewesen, auch wenn er anders gesinnt war. Uwe sei "ein bisschen rechtsradikal" gewesen, aus seiner Sicht aber ein Mitläufer, der einfach zur Gruppe gehören wollte. Wie weit er in der Szene gesteckt habe, wisse er nicht.

Zschäpe war damals die Freundin seines Bruders. Sie und Uwe Mundlos seinen auch "so ein bisschen rechts" gewesen. Zschäpe sei immer „ganz normal“ gekleidet gewesen, so dass er zunächst gar nicht dachte, dass die auch rechts sei. Später habe er dann aber erfahren, dass sie auch so gesinnt wäre und immer mit den beiden Uwes „abhänge“. Die Drei seinen immer zusammen unterwegs gewesen. An die Gründe, warum sein Bruder in Untersuchungshaft saß, könne er sich nicht mehr erinnern. Er habe immer gewollt, dass er aus der Szene raus kommt. Irgendwann sei sein Bruder abgehauen. Es habe irgendwas mit Bomben zu tun gehabt, aber die Polizei hätte da gar nichts gefunden. Uwe Böhnhardt habe ein Luftgewehr und eine Armbrust besessen. Weitere Waffen wären möglich. Sein Bruder habe ein“gutes Verhältnis“ zu Waffen gehabt, sei aber kaum dazu gekommen, sie zu benutzen, weil die Polizei sie ihm immer wieder abgenommen hat. Mit seinem Bruder habe er sich nur über „ganz belangloses Zeug“ gesprochen. Ausländer seien auch mal ein Thema gewesen. Das wisse er aber heute nicht mehr genau.

Seine Mutter habe ihm irgendwann berichtet, dass sie seinen Bruder getroffen hätten, es ihm gut gehe. Er solle wegen Waffenbesitzes oder „irgendwelchen Bomben“ festgenommen werden und habe sich nicht stellen wollen. Über die genauen Umstände hätten ihn seine Eltern im Unklaren gelassen. Er habe nach der Flucht nie wieder Kontakt zu seinem Bruder gehabt und habe ihn auch nie unterstützt.

Er habe einen weiteren Bruder Peter gehabt. Der sei „zuerst gestorben“. Der Tod sei nie aufgeklärt worden. Es sei wohl ein Unfall gewesen.

Am Ende des Verhandlungstages stellten wir mit vielen anderen Nebenklagevertretern zusammen einen Beweisantrag, Hefte des Neonazirundbriefs der so genannten "Weißen Bruderschaft Erzgebirge" mit dem Titel "The Aryan Law and Order" anzufordern und in die Verhandlung einzuführen. In dieser Vereinigung war u.a. der Angeklagte Andre E. aktiv. In Texten aus dem Heft, die mutmaßlich von Andre E. und seinem Bruder Maik E. stammen, wird zum bewaffneten Kampf aufgerufen. Ziel solle die Vertreibung aller vermeintlich "rassistisch minderwertig" angesehenen Menschen sein. Aus den Texten ergibt sich ferner ein enger Zusammenhang mit den so genannten "Hammerskins", die wiederum in engen Zusammenhang mit dem Angeklagten Holger G. stehen.

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