S21-Gegner vom Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte freigesprochen.
S21-Gegner vom Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte freigesprochen.
Das Landgericht Stuttgart hat heute einen Parkschützer und einen Robin Wood-Aktivisten, deren Arme bei der Räumung des Stuttgarter Schloßparkes im Februar 2012 im Boden einbetoniert gewesen sind, in der Berufung vom Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft ist mit dem Versuch, Aktionen des zivilen Ungehorsams zu kriminalisieren, gescheitert.
Zum Hintergrund: Am 15. Februar 2012 wurde durch die Polizei der an dem Stuttgarter Hauptbahnhof angrenzende Schloßpark von der Polizei geräumt, um sogenannte "Baufreiheit" für die Deutsche Bahn AG und ihr Projekt "Stuttgart 21" zu schaffen. Noch während der Räumung wurde mit der Rodung der in den Park befindlichen Bäume begonnen. Zu diesem Zeitpunkt fanden sich mehrere Tausend Bürgerinnen und Bürger in dem Park, die an der Dauerversammlung "Lange Nacht der Bürgerbeteiligung" teilnahmen, um gegen das Projekt "Stuttgart 21" zu protestieren. Unter ihnen befanden sich auch die zwei Aktivisten, die mit jeweils einen Arm in dem tiefgefrorenen Boden einbetoniert waren. Eine hinzugezogene Technische Einheit der Baden-Württemberger Bereitschaftspolizei konnte die Beiden nach ca. 2,5 Stunden "befreien".
Neben einem Gebührenbescheid für die Arbeit der Technischen Einheit erhielten die Aktivisten vom Amtsgericht Stuttgart auch einen Strafbefehl über 90 Tagessätze wegen angeblichen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Die Konstruktion der Staatsanwaltschaft: Sie hätten sich einbetoniert, um Widerstand gegen die bevorstehende Räumung des Schloßparkes auszuüben und den Beamten die Räumung des Schloßparkes zu esrchweren. Nachdem die S21-Gegner gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt haben, fand Ende 2012 die Verhandlung vor dem Amtsgericht Stuttgart statt, dass die rechtliche Konstruktion hielt und die Aktivisten zu jeweils 70 Tagessätzen verurteilte.
Auf die Berufung der Angeklagten wurden die Verurteilungen jetzt durch das Landgericht Stuttgart aufgehoben und die Angeklagten in allen Punkten freigesprochen. Die Verteidigung hat u. a. argumentiert, dass schon gar keine Vollstreckungshandlung, gegen die hätte Widerstand geleistet werden können, vorgelegen habe. Kein Beamter habe die Robin Wood-Aktivisten aufgefordert aufzustehen oder versucht, diese wegzutragen. Die Beamten der TE seien mit der Räumung gar nicht beauftragt gewesen; sie hätten nur den Auftrag gehabt, die Beiden aus ihrer Konstruktion zu lösen. Außerdem seien die Aktivisten zum Zeitpunkt der Räumung gar nicht mehr handlungsfähig gewesen, hätten also gar nicht mehr Widerstand leisten können. Das Einbetonieren ein paar Stunden vorher könne man ihnen nicht vorwerfen, da der Tatbestand ein Widerstandleisten "bei Vornahme der Diensthandlung" voraussetze. Schließlich habe auch keine Nötigung vorgelegen, da weder ein Beamter festgestellt werden konnte, der genötigt worden sei, noch könne das Verhalten der S21-Gegner als verwerflich angehen werden. Auch ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz scheide aus, da die Verfügung, mit der die Versammlung aufgelöst wurde, zu unbestimmt gewesen sei.
Das Landgericht Stuttgart ist der Argumentation der Verteidigung gefolgt und hat die Aktivisten in allen Punkten freigesprochen. Von der Strafkammer wurde insbesondere die Verkündung der Auflösungsverfügung als zu unbestimmt kritisiert, da sich der Beamte, der die Verfügung der Versammlungsbehörde verlesen hat, nicht an den Originaltext gehalten hat.
Rechtsanwalt Peer Stolle, der den Aktivisten von Robin Wood verteidigt, erklärt dazu: "Der Versuch der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Aktionen des zivilen Ungehorsams als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu kriminalisieren, ist gescheitert. Nachdem den Verfolgungsbehörden bei der Anwendung des Nötigungsparagraphen durch das Bundesverfassungsgericht enge Fesseln gelegt worden sind, versuchen sie es nunmehr über den Umweg des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Dieser Konstruktion wurde jetzt ein Riegel vorgeschoben. Die Staatsanwaltschaft muss einsehen, dass sich diese Aktionen nicht gegen Polizeibeamte, sondern gegen zerstörerische Großprojekte richten."