Streit unter den Zschäpe-Verteidigern; Rechtsanwalt Heer: „An Würdelosigkeit kaum zu übertreffen.“ - Videos von „Kriegsberichter“ gaben mutmaßlich schon vor 1998 die Ideen für das spätere Bekennervideo des NSU

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Sebastian Scharmer und Rechtsanwalt Dr. Stolle vom 07.10.2015

 

Streit unter den Zschäpe-Verteidigern; Rechtsanwalt Heer: „An Würdelosigkeit kaum zu übertreffen.“

Videos von „Kriegsberichter“ gaben mutmaßlich schon vor 1998 die Ideen für das spätere Bekennervideo des NSU

 

Zu Beginn des heutigen Hauptverhandlungstages stellten die Rechtsanwälte Sturm, Stahl und Heer einen von ihnen selbst so bezeichneten „Prozessantrag“. Sie verlangten dienstliche Erklärungen des Vorsitzenden und weiterer Richter des Senats, die sich im Wesentlichen um die Nebenklagezulassung von Frau „Meral Keskin“ drehten. In der letzten Woche war durch den bislang beigeordneten Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Willms nach Presseberichten bekannt geworden, dass Frau Keskin nicht existiert und ggf. auch ein Attest der Frau gefälscht worden war. Nun versuchen die drei ursprünglichen Verteidiger Stoff für ein Befangenheitsgesuch zu sammeln. Dabei kam es jedoch zum Eklat: Auf Nachfrage des Vorsitzenden räumte Heer ein, dass der Antrag weder Frau Zschäpe noch dem neuen Verteidiger Grasel vorab bekannt gegeben worden wäre. Diese würden die notwendige Kooperation und Zusammenarbeit verweigern. Nach einer Pause und Besprechung mit Zschäpe konterte Rechtsanwalt Grasel, er habe sich in die Akten eingearbeitet und während der von ihm für die Einarbeitung gewährten Prozessunterbrechung auch eine mehr als zweistündige Besprechung mit den Altverteidigern durchgeführt. Zuerst hatten diese jedoch die Besprechung verweigert. Bis heute habe er die Mitschriften dieser Verteidiger über die knapp 200 Verhandlungstage, an denen er nicht teilgenommen hatte, trotz Nachfrage nicht bekommen. Nun ergriff wieder Rechtsanwalt Heer das Wort. Diese Diskussion sei „an Würdelosigkeit kaum zu übertreffen“. Er dementierte wiederum Teile der Stellungnahme von Grasel und betonte, dass weiterhin kein Gesprächskontakt mit Zschäpe bestehe. „An dieser Situation hat sich nichts geändert.“

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Zur Nichtexistenz der von Rechtsanwalt Willms vertretenen bzw. gerade nicht vertretenen Frau Keskin wird der Senat wohl Beweis erheben. Das ist auch im Interesse der Nebenklägerinnen und Nebenkläger, die ihre vollkommen berechtigten Interessen in diesem Prozess mit Engagement wahrnehmen. Wenn die Verteidigung durch ihren Antrag aus diesem traurigen Einzellfall versucht haben sollte, Profit zu schlagen, so ist ihr dies gründlich misslungen.“

 

Danach folgte die weitere Vernehmung des Zeugen Tom T. Er hatte bereits bei einem vorangegangenen Termin umfangreiche Angaben gemacht. Insbesondere hatte er erklärt, dass die beiden mutmaßlichen Glieder der Waffenlieferkette der Tatwaffe Ceska 83, Andreas Sch. und Jürgen L., mit einander befreundet waren.

Weiter erklärte Tom T., dass bei der Kameradschaft Jena Videos der Blood & Honour Szene aus Skandinavien kursierten. Die Videos, die unter dem Label „Kriegsberichter“ vertrieben wurden, seien damals wie „MTV für Leute wie uns“ gewesen, so Tom T.

Rechtsanwalt Dr. Stolle erklärt dazu:

"Aus den "Kriegsberichter"-Videos ergibt sich, dass dort unter anderem Hinrichtungen aus rassistischen Gründen gezeigt werden und die Videos teilweise mit Trickfilmsequenzen unterlegt sind. Es liegt nahe, dass diese Videos als Ideenvorgabe für das spätere Bekennervideo des NSU dienten: ein weiteres Puzzleteil in der Indizienkette gegen die Angeklagte und Beleg für die Akzeptanz derartiger Taten im Blood & Honour Netzwerk. Wir werden ggf. beantragen, diese Videos in der Hauptverhandlung einzusehen."

Zudem bestätigte Tom T., dass er mit Mundlos und Zschäpe auch mal zu Silvester in Rostock gewesen sei. Dort kannte man Leute über Nazikonzerte. Der Zeuge erkannte sich, Uwe Mundlos und andere Szeneangehörige aus Rostock auf Fotos wieder. Dies zeigt, dass aus dem NSU-Kerntrio schon vor dem Untertauchen rege Kontakte zur Naziszene in Rostock, dem Tatort des Mordes an Mehmet Turgut, bestanden.

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