"the President, in error and in violation of due process..."

“…re-opened the suspended disciplinary proceedings and (…) imposed the disciplinary sanction of dismissal upon the complainant”

Mit deutlichen Worten hat das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation (engl. kurz ILOAT) in Genf am 26.06.2018 die im Juni 2016 erfolgte Entlassung eines Beamten des Europäischen Patentamtes (EPA) für unwirksam erklärt (Judgment 4051) und den scheidenden Präsidenten des EPA, dessen Amtszeit Ende Juni 2018 endet, kritisiert.

Der Kläger war als Patentprüfer beschäftigt. Nachdem er längere Zeit arbeitsunfähig war, wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eröffnet. Dieses wurde im Mai 2015 unterbrochen. Ein medizinisches Gutachten ergab, dass der Kläger für ihm zur Last gelegtes Fehlverhalten nicht verantwortlich gemacht werden könne. Im Juni 2016 entschied der Präsident des EPA dennoch überraschend, den Kläger fristlos zu entlassen. Zwei Jahre nach der Entlassung verkündet das ILOAT, dass die einzige legitime Reaktion des Präsidenten die Einstellung des eingeleiteten Disziplinarverfahrens gewesen wäre und er eine Disziplinarmaßnahme (eigentlich selbstverständlich) auch nicht auf Umstände stützen durfte, die nicht Teil des Disziplinarverfahrens waren. Zudem stellt es fest, dass das Disziplinarverfahren mit Verfahrensfehlern behaftet war, weil die vom Kläger benannten Zeugen nicht gehört worden waren. Das Verwaltungsgericht hat aus diesen Gründen die Entlassung für unwirksam erklärt und ausdrücklich angeordnet, dass alle Bezüge mit Wirkung ab Juni 2016 nachzuzahlen sind. Zudem wurde dem Kläger eine Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden wegen der Verletzung der anwendbaren Rechtsvorschriften und Kostenerstattung im höheren Bereich zugesprochen.

Der Anwalt des Klägers, unser Kanzleikollege Dr. Raphaël Callsen, erklärt hierzu:

„Das Urteil dürfte viele Beschäftige beruhigen. Sie können darauf vertrauen, dass eklatante Rechtsbrüche vom ILOAT kritisiert und sanktioniert werden. In den letzten Jahren war u.a. aufgrund zahlreicher zweifelhafter Maßnahmen des Präsidenten und des mehrere Jahre lang fehlerhaft besetzten und damit funktionsunfähigen Internen Beschwerdeausschusses viel Vertrauen in einen effektiven Rechtsschutz im Europäischen Patentamt verloren gegangen. Es bleibt nach der Reform des Internen Beschwerdeausschusses im Sommer 2017 und mit einer neuen Präsidentschaft zu hoffen, dass dieses Vertrauen langsam wieder aufgebaut werden kann.

Das Urteil verdeutlicht aber auch die Tendenz des ILOAT, eine vollständige Ausschöpfung der organisationsinternen Rechtsbehelfe zu verlangen und den Rechtsschutz auf die behördliche Ebene zu verlagern. In diesem Sinne bejaht das Verwaltungsgericht die umstrittene Frage, ob auch nach einer „finalen“ Entlassungsentscheidung ein Internes Überprüfungsverfahren (Request for Review) durchzuführen ist. Da das EPA eine Vertretung von Beschäftigten im Überprüfungsverfahren durch organisationsexterne Personen, auch Anwälte, bislang ablehnt – anders als im vorangehenden Disziplinarverfahren – stellt dies eine Fehlerquelle und mögliche Hürde für eine gerichtliche Überprüfung dar.

Zudem betont das ILOAT erneut, dass es die Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich den zuständigen internen Ausschüssen überlässt und deren Tatsachenfeststellungen nicht in Frage stellt, sofern diese nicht offensichtlich fehlerhaft sind. Für Beschäftigte aller Internationen Organisationen, die der Gerichtsbarkeit des ILOAT unterliegen, ist es daher von entscheidender Bedeutung, die Verfahren vor Disziplinarausschüssen oder Beschwerdeausschüssen ihrer jeweiligen Organisation sehr ernst zu nehmen und dort, möglichst mit Unterstützung von Personalvertretung, Gewerkschaft oder Anwälten, auf eine Feststellung aller relevanten Tatsachen hinzuwirken.“

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