Tino Brandt sieht sich als Opfer: „Der Verrat wird zwar geliebt, der Verräter nicht.“

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle

vom 23. September 2014

 

Tino Brandt sieht sich als Opfer: „Der Verrat wird zwar geliebt, der Verräter nicht.“

 

Heute waren auch Gamze Kubasik und ihre Mutter Elif Kubasik im Gerichtssaal, insbesondere um die Vernehmung von Tino Brandt, den die Nebenklage bislang noch nicht befragen konnte, zu verfolgen.

 

Zunächst wurde die Verhandlung allerdings mit zwei Zeugen aus Zwickau fortgesetzt, die Frau E. - ehemalige Nachbarin des Trios in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau - vernommen hatten. Die betagte Dame konnte im Prozess aufgrund ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung nicht mehr aussagen. Als der heutige Zeuge, ein Polizeibeamter, sie im November 2011 befragte, konnte sie die Geschehnisse allerdings noch gut erinnern und darstellen. Sie erklärte, dass es es kurz vor ihrer Rettung aus dem brennenden Haus bei ihr geklingelt habe. Sie habe noch über die Gegensprechanlage gefragt, wer da sei, aber keine Antwort bekommen. Sie schaute dann durch das Fenster, sah aber auch niemanden. Den Rauchgeruch nahm sie wahr, konnte sie aber nicht einem Wohnungsbrand zuordnen. Kurze Zeit später wurde sie glücklicherweise aus dem brennenden Haus gerettet.

 

Der weitere Zeuge war ein Vernehmungsrichter aus Zwickau, der Frau E. auf Ersuchen des Oberlandesgerichts im Mai 2014 in Zwickau versucht hatte zu vernehmen. Das war aber inhaltlich aufgrund des fortgeschritten schlechten Gesundheitszustandes nicht mehr möglich.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

„Wenn es Strategie der Verteidigung ist, das Klingeln an der Wohnungstür von Frau E. als vermeintlichen Rettungsversuch von Zschäpe nach ihrer Brandlegung darzustellen und damit vom Vorwurf des versuchten Mordes wegzukommen, ist das gründlich schief gegangen. Wenn es wirklich Zschäpe war, die an der Gegensprechanlage der Nachbarin geklingelt hat (und dagegen spricht Einiges), dann wusste sie aufgrund der Nachfrage von Frau E., wer da ist, in jedem Fall, dass die gehbehinderte hochbetagte Nachbarin in ihrer Wohnung im brennenden Haus ist. Sie hat dann zwar ihre Katzen „Lilli“ und „Heidi“ gerettet, die Nachbarin aber im Haus gelassen. Die Beweisaufnahme zur Brandlegung in der Frühlingsstraße ist damit weitestgehend abgeschlossen. Zschäpe ist diesbezüglich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überführt. Die Beweislage ist dazu noch dichter, als bei allen anderen Vorwürfen.“

 

Am Nachmittag wurde dann die Vernehmung von Tino Brandt fortgesetzt. Zunächst wurde er vom Vorsitzenden zu verschiedenen Fotos befragt, auf denen unter anderem Zschäpe mit schwarz-weiß-roter Fahne auf verschiedenen Nazidemonstrationen in vorderster Reihe zu sehen war. Ihm wurde zudem seine Aussage bei der so genannten Schäfer-Kommission vorgehalten. Dort beschrieb er Böhnhardt als „militärisch sehr interessiert“, das habe bei ihm „immer im Vordergrund“ gestanden. Daran wollte er sich heute angeblich nicht mehr richtig erinnern. Zschäpe sei politisch gefestigt gewesen, auch wenn sie ihre rechte Meinung äußerlich nicht durch Kleidung, Aufnäher oder ähnliches zum Ausdruck gebracht hat. Zu seinen Kontakten in die Blood & Honour Szene erklärte Brandt auf Fragen des Vorsitzenden, dass er angeblich keinen einzigen Namen heute mehr wisse. Er erklärte auch, dass er dem Verfassungsschutz in seiner Zeit als V-Mann zwar immer wahrheitsgemäß berichtet habe, aber eben nicht alles. In seine Arbeit als V-Mann wäre er so „rein gerutscht“. Dadurch habe er die politische Arbeit mit dem gezahlten Geld viel besser gestalten können. Sein Problem in der rechten Szene war: „Der Verrat wird zwar geliebt, der Verräter nicht.“ Er fühlte sich damals – wie heute – der rechten Szene und nicht dem Verfassungsschutz verbunden. Er meinte, dass er mit den Informationen, die er dem Verfassungsschutz gegeben hat, leben konnte, weil er keine Angaben zu strafbaren Dingen gemacht hatte.

 

Auf die Befragung der Verteidigung Wohlleben stellte Tino Brandt den Thüringer Heimatschutz als harmlose Truppe dar, die gegen „Drogenmissbrauch“ demonstriert habe. Ideale von Mundlos wären die der NSdAP gewesen – da fiele ihm allerdings nur der Grundsatz „Gemeinnutz vor Eigennutz“ ein.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

„Tino Brandt versucht jegliche Militanz der rechten Szene zu leugnen, diese zu verharmlosen, sich selbst als Opfer darzustellen. Das ist im Hinblick auf die aktenkundigen Tatsachen, die Gewalttaten damals in der Szene und letztlich auch im Hinblick auf 10 Morde, die in der Anklage beschrieben sind, nicht nur unglaubwürdig, sondern auch für die Nebenklägerinnen im Gerichtssaal unerträglich. Allerdings ist eine derartige Verharmlosung bei Zeugen aus dem rechten Umfeld der Angeklagten im NSU-Prozess schon oft zu beobachten gewesen – beispielsweise auch bei André Kapke.“

 

Die Nebenklage ist leider am heutigen Tag nicht mehr zur Befragung von Tino Brandt gekommen. Diese wird morgen fortgesetzt.

 

 

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