Urteil im NSU Prozess – fragwürdige Beweiswürdigung des Gerichts

 

Der NSU habe sich erst mit dem so genannten Untertauchen im Jahr 1998 gegründet, so das OLG München. Er sei Folge einer sich immer stärker radikalisierenden zunächst mit Propagandadelikten, dann aber auch mit Gewalt aufgefallenen Gruppe aus der rechten Szene gewesen. Der Senat redete insoweit bei den Mitgliedern des NSU immer nur von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Allerdings sagte der Vorsitzende ausdrücklich, dass Zschäpe die gemeinsame Wohnung in Zwickau auch deshalb in Brand gesetzt hat, um Beweismittel zu vernichten, die weitere Unterstützer entlarven hätte können.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

Die mündliche Urteilsverkündung hat nicht konkret die Möglichkeit benannt, dass der NSU weitere Mitglieder hatte, zu weiteren Unterstützern hat sich das OLG München nicht explizit geäußert. Die Urteilsbegründung ist insoweit enttäuschend. Denn vollkommen unnötig wurden viele Beweise, die für eine größere Gruppierung gesprochen haben, ausgespart. Das ist ein schwerer Schlag für die Hinterbliebenen und Verletzten des NSU, die sich zumindest am Rande der Urteilsbegründung dazu Feststellungen – die das Gericht hätte treffen können, erhofft haben.“

 

Das Gericht hat zudem in seiner Urteilsbegründung dargestellt, dass André Eminger zum Zeitpunkt der Anmietung eines Wohnmobils, welches zur Tatausführung des Bombenanschlags in der Kölner Probsteigasse genutzt wurde, angeblich nicht konkret gewusst habe, dass ein Mordanschlag verübt werden sollte. Dieses Wissen könne ihm erst später nachgewiesen werden, weshalb er erst dann eine terroristische Vereinigung unterstützte. Daher auch die geringe Verurteilung allein zu 2 Jahren und 6 Monaten.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

Das Gericht hat einen Beihilfevorsatz zum Mord bei André Eminger als nicht erwiesen angesehen. Damit hat es die gemeinsame mörderische Ideologie, die Eminger zu jedem Zeitpunkt seiner Unterstützung des NSU hatte, außen vorgelassen. Es gehörte sowohl für Eminger, als auch für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zum Teil ihres rassistischen und neonazistischen Handlungskonzeptes Anschläge gegen von Menschen mit insbesondere türkischem Migrationshintergrund durchzuführen. Aus unserer Sicht war Andre E. einer der wichtigsten Unterstützer des NSU. Dass das Gericht nun meint, der jeweilige Vorsatz könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgeweisen werden, liegt auch daran, dass mögliche Beweise zum gemeinsamen Umgang in Zwickau nicht erhoben wurden. So wurde unser Antrag den V-Mann Marschner, alias Primus, zu laden und seine Akten vom Bundesverfassungsschutz beizuziehen, mehrfach abgelehnt. Dabei soll Marschner sowohl André Eminger und seine Frau genauso wie Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gekannt haben und mit ihnen in Zwickau Umgang gepflegt haben. Er hätte zum gemeinsamen Wissen und Aktivitäten möglicherweise aussagen können. André Eminger ist also auch deshalb so gering verurteilt worden, weil wichtige Aussagen und Akten eines führenden V-Manns wegen des Widerstandes des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der nicht konfrontativen Haltung des Gerichts dazu, nicht eingeführt werden konnten.“

 

Gamze Kubasik erklärt dazu:

„Es ist schrecklich, dass einer der wichtigsten Unterstützer des NSU mit einem blauen Auge davon kommen soll. Das Gericht hätte hier vielmehr ermitteln müssen. André Eminger sagt doch selbst, dass er ein Nationalsozialist ist. Und der soll nicht geahnt haben, dass seine Nazikumpels einen Bombenanschlag planen? Auch der Verfassungsschutz hätte alles offen legen müssen. Dann wäre Eminger nach meiner Meinung auch für das verurteilt worden, was er mutmaßlich gemacht hat.“

 

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