V-Mann Marschner soll nicht in München aussagen: das OLG München will eine weitere Aufklärung nicht betreiben

 

 

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Sebastian Scharmer und Rechtsanwalt Dr. Stolle vom 11.05.2016

 

V-Mann Marschner soll nicht in München aussagen: das OLG München will eine weitere Aufklärung nicht betreiben

 

Der Senat lehnte heute unseren Beweisantrag, den ehemaligen V-Mann Marschner zu hören, ab. Das Gericht bezog sich insoweit auf eine Regelung in der StPO (§ 244 Abs. 5 StPO), die es vereinfacht ermöglicht, Beweisanträge, die Auslandszeugen betreffen, abzulehnen. Marschner hält sich mutmaßlich in der Schweiz auf. Die Richter meinten, dass es zum derzeitigen Verfahrensstand nicht (mehr) notwendig sei, den Zeugen Marschner zu hören. Die unter Beweis gestellten Aussagen des V-Mann Führers von Marschner mit dem Decknamen Kaldrack, sowie weitere Akten dazu, die beantragt wurden beizuziehen, seien zudem für das Verfahren tatsächlich ohne Bedeutung.

Bei einem Verfahren, bei dem auf breiter Beweisgrundlage, bereits umfangreiche Sachverhaltsermittlungen angestrengt worden wären, müsse eine weitere Amtsaufklärung durch die Ladung eines Auslandszeugen nicht erfolgen. Selbst wenn Marschner Mundlos und Zschäpe nach ihrem Abtauchen kannte und beschäftigt habe, sie dies für die Tat- und Schuldfrage der Angeklagten - so der Senat -nicht unmittelbar von Bedeutung. Auswirkungen auf die Rechtsfolgen seien nicht ersichtlich, selbst wenn sich alle Beweistatsachen als zutreffend erweisen würden. Das heißt: Wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz über den Aufenthaltsort des Trios in Zwickau bereits im Jahr 2000 Bescheid wußte und diese Informationen bewußt zurück gehalten hat, wäre das für das OLG München im Rahmen der dortigen Urteilsfeststellungen nicht relevant.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

"Der heutige Beschluss ist ein Rückschlag für das Aufklärungsinteresse von Gamze Kubasik und anderen Nebenklägerinnen und Nebenklägern. Wir können nur solche Beweisanträge stellen, die sich auf konkrete Anhaltspunkte aus den Akten oder anderweitige nachvollziehbare Recherchen beziehen. Der ablehnende Beschluss ist Folge einer bewusst defizitären Informationspolitik des Generalbundesanwalts, der bis heute wichtige Aktenbestandteile den Hinterbliebenen der Ermordeten sowie den Verletzten des NSU und ihren Anwälten vorenthält und damit eine weitere Konkretisierung der Anträge verhindert.

Wenn das Gericht meint, dass eine ursächliche Mitverantwortung des Verfassungsschutzes für die Morde, Anschläge und Raubüberfälle des NSU zwar möglich aber nicht zwingend sei, mag das juristisch spitzfindig der Ablehung der Anträge dienen. Eine Aufklärung des Netzwerkes NSU und der Möglichkeit der Verhindung der Morde und Anschläge wird damit unterbunden: nicht weil man eine Aufklärung nicht betreiben könnte, sondern weil man sie nicht weiter betreiben will.

Marschner wäre einer der wichtigsten Zeugen in diesem Prozess gewesen. Über die Zeit des Untertauchens in Zwickau, über das Verhältnis zwischen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe und ihre Vernetzung in die Naziszene in Zwickau liegen bislang kaum Erkenntnisse vor."

 

 

 

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